Elfenlicht
ich.«
»Bitte! Sag mir, wie du das mit dem Freund gerade gemeint hast. Bitte! Es tut mir ja leid. Ich habe so lange auf dich gewartet, dass ich blind geworden bin.«
»Ich glaube nicht, dass ein Baumeister sich die Gesellschaft der Hure eines Herzogsohns leisten kann. Jedes Lächeln von mir kostet dich einen Fuchspelz. Und wenn ich dir zuhören sollte ... Bei den Göttern, ich glaube, dafür müsstest du mir schon ein Pferd aus den Ställen des Königs schenken. Ich bin vielleicht ein leichtes Mädchen, aber ganz bestimmt kein billiges.« Kadlin hatte zunehmend Spaß an dem Streit. So gut hatte sie sich nicht mehr amüsiert, seit ihre Schwester die kleine Liebelei mit dem Fischer aufgedeckt und um ihren eigenen guten Ruf gefürchtet hatte.
»Verdammt, ich entschuldige mich doch! Was erwartest du noch von mir?«
»Vielleicht einen Turm, der meinen Namen trägt?« Sie war stehen geblieben und wartete, bis der Baumeister sie einholte. Ein dicker Tropfen Blut quoll ihm aus dem linken Nasenloch.
»Verzeih mir. Ich bin den Umgang mit Frauen nicht mehr gewöhnt.«
»Ich glaube kaum, dass du dich an der Tafel des Königs derart pöbelhaft aufführen kannst. Lass dir also eine bessere Ausrede einfallen.«
»Was hältst du von der Wahrheit? Wenn mich die Schmerzen packen, dann bin ich am liebsten allein. Und dummerweise bin ich in der Wahl der Mittel manchmal nicht ganz zimperlich, um mir Ruhe zu verschaffen.« Er zog die Nase hoch und spuckte Blut in den Schnee. »Endlich begegnete ich jemandem, der die Zeichen zu deuten versteht, und dann vergraule ich ihn. Ich bin wahrlich verflucht!« Er blinzelte und konnte die Augen kaum offen halten. Kalter Schweiß stand ihm auf dem Gesicht. Gundaher war aschfahl geworden, und Kadlin hatte Sorge, dass er jeden Augenblick zusammenbrechen könnte.
»Du hast doch eine eigene Kammer. Lass uns dort weiterreden, Baumeister. Ich glaube, du brauchst ein wenig Ruhe.«
»Ich bin nicht krank«, begehrte er auf. »Täusche dich nicht. Es ist das Reden, das mich töten wird, wenn ich meine Zunge nicht im Zaum halte.«
Offensichtlich war er ein wenig verrückt, dachte sich Kadlin.
»Komm mit in meine Kammer. Ich warte seit vielen Jahren auf dich. Ich habe ein Geschenk für dich.«
Die Jägerin blickte zu den beiden Wachposten auf dem nördlichen Ende der Mauer. Sie beobachteten sie. Kadlin war sich darüber im Klaren, dass man sich über sie das Maul zerriss. Wenn sie jetzt mit Gundaher verschwand, kaum dass sie sich aus Björns Kammer geschlichen hatte, dann würde das reichlich Tratsch für lange Winterabende liefern. Sie blieb stehen. »Was ist denn das für ein Freund, der geht?«
Gundaher schüttelte den Kopf. »Du denkst in die falsche Richtung. Mit der Botschaft ist es wie mit den Runen. Du musst sie verdrehen.«
Kadlin hasste Rätsel. Ihre Schwester hatte eine wunderbare Gabe, Rätsel zu lösen. Sie selbst hatte immer schlecht dabei abgeschnitten, wenn Silwyna sie mit Rätselgeschichten hatte unterhalten wollen. »Also kommt dein Freund?«, fragte sie ein wenig verdrossen.
»Du musst es noch mehr verdrehen.« Der Baumeister stöhnte auf. »Aber sprich es nicht aus!«
»Der Freund geht«, murmelte sie leise vor sich hin. Sie konnte ihre Gedanken besser sammeln, wenn sie dabei leise sprach. »Also ...«
Gundahers gequälter Blick ließ sie verstummen. Rote Äderchen durchzogen das Weiß seiner Augen. Wieder quoll ihm Blut aus der Nase.
Kadlin sah ihn erschrocken an. Das Gegenteil bedeutete: Der Feind kommt! »Hierher?«
Der Baumeister schüttelte den Kopf. »In meiner Kammer ... Komm!« Sie stützte ihn und brachte ihn auf die Rückseite des Langhauses. Seine Kammer lag nicht weit von Björns Kammer entfernt. Als sie um die Ecke des Langhauses bogen, konnte sie sehen, wie die Wachposten auf der Mauer die Köpfe zusammensteckten.
Aus der Kammer des Baumeisters schlug ihnen stickige Luft entgegen. Es roch nach altem Schweiß und Lampenöl. Von der niedrigen Decke hingen an Ketten mehrere Öllampen, über denen sich dunkle Rußflecken auf dem hellen Holz ausbreiteten. Die Wände waren weiß getüncht. Dies war die einzige Kammer, in der man solchen Aufwand betrieben hatte. Doch diese Mühe war vergebens gewesen. Eine Flut von Bildern hatte die weiße Farbe zurückgedrängt. Die meisten waren nur mit Kohlestücken ausgeführt. Es waren Grimassen. Alte, eingefallene Gesichter. Die Münder weit aufgerissen. Ihre Augen verdreht. Zwischen den Gesichtern sah man einen jungen Mann.
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