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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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geirrt. Mochten die anderen nur nach ihrer Pfeife tanzen! Er war sein eigener Herr!
    »Darf ich die Truhe für dich öffnen?«, fragte Caileen. Melvyn zögerte kurz. Nein, es sollten ruhig alle sehen, wie er das Geschenk zurückwies!
    »Nur zu.«
    Die Gräfin zerbrach die beiden Siegel und klappte den Truhendeckel zurück. Auf einem Samtkissen lagen zwei wulstige Armschienen. Adler mit ausgebreiteten Schwingen waren als Schmuck in das Leder geprägt. Melvyn traute seinen Augen kaum. Woher wusste sie, dass er seine Waffen verloren hatte? War das Geschenk eine Aufforderung, Shandral zu richten?
    »Die Königin lässt dir auch mitteilen, dass sie sich sehr freuen würde, dich an ihrem Hof zu empfangen, sobald du deine Angelegenheiten gerichtet hast.«
    Melvyn horchte auf. »Waren das ihre Worte? Meine Angelegenheiten gerichtet?«
    Die Andeutung eines Lächelns spielte um Caileens Lippen. »Es waren die Worte ihrer Botin Obilee. Doch ich glaube, die fahrende Ritterin wiederholte wörtlich die Botschaft der Königin. Mir scheint, dass Obilee von dir sehr angetan war. Offenbar wusste sie der Königin nur Gutes über dich zu berichten.« Melvyn betrachtete nachdenklich sein Geschenk. Er hatte Gerüchte gehört, dass Emerelle in die Zukunft sehen konnte. Vielleicht ergaben ihre eigenwilligen Befehle ja doch einen Sinn?

EIN ORT, NICHT FÜR MENSCHEN GESCHAFFEN

    Lambi stand auf, als er sie kommen sah. Kadlin versteifte sich und ballte die Fäuste. Sie würde sich von ihm nichts sagen lassen! Mit diesem hässlichen alten Kerl würde sie fertig, dachte sie und wusste es besser, konnte sie sich doch vor Schwäche kaum auf den Beinen halten.
    Sie wollte es mit eigenen Augen gesehen haben. Gegen jede Vernunft hoffte sie, das alles sei nur ein böser Traum. Sie betete zu den Göttern, dass sie gleich in Björns kleiner Kammer auf der Burg aufwachen würde. Sie würde spüren, dass die Nacht fast vorüber war, sich lautlos ankleiden und aus dem Zimmer schleichen, um auf der Burgmauer auf das erste silberne Tageslicht zu warten.
    »Geh nicht zu ihm«, sagte Lambi mit rauer Stimme. Der alte Krieger sah zum Erbarmen aus. Ein blutiger Verband saß schief auf seiner Stirn. Seine Augen waren rot, und das grässliche Loch, das seine Nase ersetzte, war mit Schleim verklebt. Sein Haar hing ihm in Strähnen auf die Schultern herab. Das Kettenhemd war mit eingetrocknetem Blut bedeckt. Er stank nach Schweiß, Rauch und Tod.
    »Du wirst mir nicht ...«
    Lambi packte ihre Arme und presste sie ihr an den Leib. Der Herzog war noch erstaunlich stark für sein Alter. Seine Augen starrten. Das Weiß war von blutigen Adern durchzogen. »Geh nicht zu ihm! Es ist besser, Mädchen. Behalte ihn in ...« Er stockte. Tränen rannen ihm über die Wangen. »Behalte ihn in Erinnerung wie ...« Wieder brach er ab. Er drückte sein Gesicht gegen ihre Brust. Seine Schultern bebten. Er schluchzte leise. »Ich wünschte, mich hätte jemand zurückgehalten. Ich ...« Er ließ sie los und sah ihr gerade ins Gesicht. Sein Kinn bebte. Er rang um Worte. »Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich bin froh, dass er dich gehabt hat. Er hätte sonst niemals ... Du hast ihn die Liebe erfahren lassen. Man sollte nicht zu den Göttern gehen, ohne geliebt zu haben.«
    Kadlin hatte keine Tränen mehr. Sie sah den alten Herzog nur an. Seine Worte berührten sie, aber sie war unfähig, ihre Gefühle noch zu zeigen.
    »Ich habe ihn nie so glücklich erlebt wie in den letzten Monden. Es tut mir leid, dass ich ... Manche Männer werden auch im Alter nicht weise.«
    Kadlin blickte die lange Reihe der mit Decken und Fellen zugedeckten Körper entlang. Es waren so viele ... Und es gab noch zwei andere Tunnel voller Leichen, die man vor dem Sturm vom Schlachtfeld geholt hatte. Kalf hatte sie schon gefunden.
    Sie blickte zu dem roten wollenen Umhang und erinnerte sich, wie sie Björn gefoppt hatte, als er versucht hatte, mit Nadel und Faden einen Riss zuzunähen. Unter dem Umhang ragten seine schweren, dunkelbraunen Winterstiefel hervor. Sie hatte immer gescherzt, dass er dort außer seinen Füßen wohl noch zwei Tote Iltisse versteckte, weil die Stiefel so erbärmlich stanken.
    Lambi trat ein Stück zur Seite. »Versteh mich nicht falsch, Mädchen. Ich verbiete es dir nicht. Ich könnte das nicht ... Du hast dasselbe Recht wie ich. Doch es wäre besser, wenn du ihn in Erinnerung behältst, wie du ihn kanntest. Das ... Das ist er nicht mehr. Nur noch eine leblose Hülle. Er ...«
    »Wie

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