Elfenlicht
Selbst die Schamaninnen und Schamanen ihres Volkes wagten es kaum noch, die Pfade des Lichts zu beschreiten, seit das schreckliche Unglück geschehen war. So waren die Trolle, die sich entschieden hatten, in der Welt der Menschen zu bleiben, abgeschnitten von Nachrichten aus Albenmark.
Das schmutzige Braun des Zweifels floss breit durch die vielfarbige Aura Orgrims. Wie kaum ein anderer seines Volkes verstand er es, sich zu beherrschen und seine Gefühle vor ihr zu verbergen, dachte Skanga verärgert.
»Du lädst mich ein, von Aas zu fressen, an dem ich mir den Magen verderben werde. Ich bin kein törichter Welpe, Skanga. Ich weiß, dass Branbart wieder König sein wird, sobald er wiedergeboren wird und alt genug ist, nach der Herrschaft zu greifen. Ich will nicht von der Macht kosten, nur um sie dann wieder aus den Händen zu geben. Was wäre mein Lohn dabei? Ein eifersüchtiger König, der sein Leben lang glauben wird, dass ich nach seinem Thron trachte! Danach steht mir nicht der Sinn. Die Nachtzinne ist mein Platz. Ich bin ihr Herzog. Hier bin ich gut aufgehoben.«
»Bist du denn blind?«, knurrte die Schamanin. »Du hättest die Gelegenheit, den Königswelpen nach deinen Vorstellungen zu formen. Er würde auf dem Thron sitzen, aber du würdest die Macht behalten.«
Orgrim winkte lachend ab. »Hältst du mich für so dumm? Du bist der Schatten hinter dem Thron, Skanga. Und das wirst du bleiben. Ich kenne dich.«
»Ich bin ein gebrechliches altes Weib, das ...«
Orgrim lachte noch lauter. »Du warst schon alt und gebrechlich, als die Berge noch jung waren. Mach mir nichts vor. Du überlebst jeden aus unserem Volk. Schon seit Jahrhunderten.« Sein Lachen brach ab. »Ich mag dich, Skanga, und ich fürchte dich zugleich. In deiner Nähe spürt man den Atem des Todes im Nacken. Da habe ich es hier besser getroffen.«
»Unser Volk braucht dich. Kein Anführer kann sich mit dir messen. Du kennst ja das Rudel großsprecherischer Trunkenbolde. Sie werden alles wieder verderben, was wir gewonnen haben.«
»Du meinst, es kann noch schlimmer kommen als der Marsch in das Nichts?« Jedes Wohlwollen war aus seiner Stimme gewichen. »Ich begreife nicht, warum du Branbart nachgegeben hast. War es Teil deiner Intrigen? Wolltest du, dass tausende tapferer Krieger sterben? Du hast doch nicht geglaubt, dass wir die Elfen noch ein drittes Mal auf diese Weise besiegen könnten! Branbart mag so dumm gewesen sein, aber du musst um die Gefahr gewusst haben.«
»Ich hatte keine Wahl«, antwortete Skanga ausweichend.
»Drauf gefurzt! Man hat immer die Wahl. Vor mir steht das gefürchteteste Weib unseres Volkes. Trolle, die selbst in den Flammen des Königssteins weitergekämpft haben, erzittern, wenn nur dein Name fällt. Aber beuge ich mich deinem Willen? Nein! Man hat immer die Wahl.«
Skanga betrachtete den Herzog mit einer Mischung aus Zorn und Respekt. Welch ein König er sein könnte! Aber nicht einmal um seinetwillen würde sie mit den alten Gesetzen brechen. Branbart hatte ein Recht auf den Thron, so lange er wiedergeboren wurde. Und er wurde langsam besser als Herrscher. Die Alben hatten ihm den Thron zugedacht, warum auch immer ... Sie würde nicht in den Plänen der Alten herumpfuschen. Das überließ sie Emerelle, der die Macht mit der Zeit offenbar jede Vernunft geraubt hatte.
»In dieser Kammer bist du gestorben«, wechselte die Schamanin das Thema. »Ich glaube, es war sogar dieses Lager. Ich erinnere mich. In deine Kehle war ein zweiter, klaffender Mund geschnitten.«
Eine breite Spur von Rot pulsierte jetzt in der Aura Orgrims. »Ich kenne die Geschichte!«
»Ob dieser Elf schon gehört hat, dass es einen neuen Herzog auf der Nachtzinne gibt?«, fuhr Skanga ungerührt fort. »Schläfst du eigentlich gut in diesem Bett?«
»So ruhig wie ein Welpe, der gerade gesäugt wurde.«
Die Schamanin wusste, dass er log. »Deshalb kommst du erst mitten in der Nacht zu deinem Lager.«
»Meine lüsternen Weiber haben mich nicht früher ziehen lassen.« »Ach so. Und ich dachte schon, du meidest diesen Ort, so gut es geht«, spottete Skanga. »Lüge nicht! Du kommst doch nur deshalb noch hierher, damit dich niemand einen Feigling nennen kann! Und jede Nacht zögerst du es länger hinaus. Erzähl mir nichts! Ich kann in dein Herz sehen, Herzog. Ich sehe Stolz und Angst in beständigem Ringen miteinander.«
»Warum erzählst du mir das?«, fragte er barsch. »Ich weiß, wie es in meinem Herzen aussieht. Ich brauche keine
Weitere Kostenlose Bücher