Elfenlicht
Er weiß jetzt, dass ich Frieden will. Wir werden gute Nachbarn sein. Hin und wieder wird es ein paar Geplänkel geben, damit unsere jungen Krieger ihren Mut beweisen können. Einen kleinen Raubzug, einen Viehdiebstahl. Nichts Bedeutendes. Krieg werden wir nicht führen.«
»Du glaubst also, dass die Menschen über den Frieden genauso denken wie du.«
»Sie sind Krieger«, sagte er geradezu mit Respekt. »So verschieden unsere Körper auch sein mögen, unsere Herzen sind sich ähnlicher, als man glauben mag.«
Skanga lächelte trocken. »Und all das weißt du nach einem einzigen Kriegszug gegen sie? Du kennst ihre Herzen!« Die Schamanin spuckte aus. »Einen Dreck kennst du. Du wirst schon noch sehen, wie sie wirklich sind – wenn dich der verrückte Elf lange genug leben lässt. Ich werde nicht vergessen, dass du nicht zu deinem Volk gestanden hast, als ich mit einer Bitte zu dir gekommen bin. Fürchte den Tag, an dem du mich um etwas bitten musst, Orgrim. Denn mein Herz wird dann so hart und kalt sein, wie deines heute war.« Müde verließ sie das Zimmer. Jeder Schritt war eine Qual. Ein langer Gang führte zu einer Treppe. Immer wenn sie innehalten musste, um zu verschnaufen, lauschte sie. Nichts rührte sich. Als sie die Treppe erreichte, wusste Skanga, dass Orgrim nicht mehr kommen würde.
DER PREIS VERBOTENEN WISSENS
Die Zeit klammerte sich widerspenstig an die Dunkelheit, so erschien es Ganda. Sie wartete schon seit mindestens einer Stunde, wahrscheinlicher sogar die halbe Nacht. Hinter ein Bücherregal geduckt, beobachtete sie die Tür zum Saal des Lichts. Galawayn musste dort herauskommen! Das Treffen der Hüter des Wissens hatte gewiss schon längst begonnen. Es war eine grobe Beleidigung, so viel zu spät zu kommen.
Vielleicht war er ja schon längst fort? Die Gelegenheit, sich allein in seinem Zelt umzusehen, käme gewiss so schnell nicht wieder. Wenn doch nur Ollowain hier wäre! Dieser nichtsnutzige Elf war schon wieder spurlos verschwunden. Doch diesmal würde sie ihn nicht suchen gehen! Ganz sicher nicht! Der Mistkerl würde sich am Ende noch einbilden, dass sie ohne ihn gar nichts wagte. Was hatten er und sein Schwert bei dieser Mission schon geholfen? Gut, einmal abgesehen von der Sache in dieser Gasse in Iskendria ...
Ganda fasste sich ein Herz. Galawayn würde ihr schon nichts tun. Sie würde einfach behaupten, sie habe keinen Schlaf gefunden und ... Nein, das war eine zu dämliche Lüge. Das würde er ihr niemals glauben. Falls er sie tatsächlich entdeckte, würde ihr schon etwas Besseres einfallen. Ihren Kopf aus der Schlinge zu reden, wenn es wirklich darauf ankam, gehörte zu ihren großen Stärken.
Mit klopfendem Herzen öffnete sie die schwere Tür zum Saal des Lichts. Hastig zog sie sie hinter sich zu. Sie wusste, das dunkle Rechteck vor dem falschen Himmel war im ganzen Saal zu sehen. An die Himmelswand gelehnt, verharrte sie. Nichts geschah. Also war Galawayn doch schon gegangen, bevor sie gekommen war. Vielleicht schlief er auch?
Jetzt nur nichts anmerken lassen! Sie musste sich ganz normal verhalten. Hoch erhobenen Hauptes erklomm sie die große Düne. Als sie den Kamm erreichte, konnte sie das Zelt sehen. Die Seitenwände waren hochgeklappt. Es war leer. Ganda fiel ein, dass sie gar nicht wusste, wo Galawayn seinen Schlafplatz hatte. Was immer der Hüter des Wissens jetzt auch trieb, im Zelt war er nicht.
Von der Höhe der Düne konnte man fast den gesamten Saal überblicken. Die Lutin nahm sich die Zeit, sich sorgfältig umzusehen. Wer immer hierher kam, würde als Erstes ihre Spur im Sand sehen. In einer halben Stunde oder vielleicht auch ein wenig schneller hätte der verzauberte Sand die Spur getilgt. Aber wenn Galawayn vorher zurückkehrte ...
Ganda streckte die Hand vor, sodass die Handfläche zur Decke wies. Leise flüsterte sie die geheimen Namen der Winde. Dann blies sie sacht über ihre Handfläche. Ein Luftzug löschte ihre Spur im weichen Sand.
Als sie das Zelt erreichte, verwischte sie ein weiteres Mal ihre Spuren. Ein törichter Verzweiflungsakt! In diesem Saal, der vorgaukelte, eine Wüste zu sein, gab es keine Verstecke, es sei denn, man vergrub etwas im Sand. Einen Gedanken lang quälte sie die Vorstellung, dass Galawayn wie ein Ameisenlöwe sei: Tief am Grund eines Sandtrichters lauerte er mit seinen tödlichen Beißzangen. Und wer einmal über den Rand des Trichters getreten war, für den gab es kein Entkommen mehr, der rutschte unaufhaltsam seinem
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