Elfenlicht
Kunst der Gestaltwandlung galt als eine der verbotenen Spielarten der Magie – jene Art von Magie, die man am Hof der Fürstin Alathaia praktizierte. Ihr traute Ollowain durchaus zu, dass sie sich sehr für die mörderische Kreatur interessierte, die Phylangan heimgesucht hatte. Vielleicht hatte sie einen Zögling hierher geschickt?
Ein Magier, der ein Gestaltwandler war, würde gewiss zunächst einige Zeit mit seinen Opfern verbringen. Schließlich musste er mit ihrem Leben und ihren Eigenarten vertraut werden. Wahrscheinlich würde er seine Opfer danach töten, allein schon um zu verhindern, dass man ein und dieselbe Person zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten antreffen konnte. So würde es ihm auch leichter fallen, seine Spuren zu verwischen. Diejenigen, die er tötete, würde man nicht vermissen, weil er sie ja ersetzte. Sollte der Kobold Labax also in Wahrheit ein anderer sein, dann war jeder in Gefahr, mit dem er einige Zeit verbracht hatte. Dieser Beleuchter, Qualbam III., und auch Galawayn.
Der Schwertmeister hatte den Verdacht, dass er Labax nicht finden würde. Aber bevor er zu Galawayn ging, wollte er sich dessen ganz sicher sein.
ÜBERRASCHENDER BESUCH
Der Mond stand hoch am Himmel. Es wurde kühl in der Kammer des Herzogs. Die schweren hölzernen Läden standen halb offen. Keile verhinderten, dass sie im Wind hin und her schlugen.
Klein und blass war die Aura des Menschenmondes. Ihm fehlte die Kraft seines Zwillings in Albenmark. Alles war schwächer in der Welt der Menschen. Die Magie, das Licht und auch die Geschöpfe, die hier lebten. Manchmal stellte sich Skanga vor, die Alben hätten geübt, als sie diesen Ort erschufen. Aus den Fehlern hatten sie gelernt und dann Albenmark erschaffen.
Die alte Schamanin lehnte sich in dem hohen Holzsessel zurück, der an der Wand gegenüber dem riesigen Nachtlager stand. Sie musste schmunzeln. Orgrim genoss es wahrhaftig, bei den Weibern zu liegen. Es gab viel weniger Weibsbilder als Krieger. Und die Weiber wählten, in wessen Lager sie stiegen. Viele Krieger wurden alt und starben, ohne jemals den Zauber der Vereinigung erlebt zu haben. Ein Herzog freilich konnte unter allen Weibern wählen. Noch dazu, wenn er ein so berühmter Kämpfer wie Orgrim war.
In sein Lager zu kriechen war eine Ehre, der man mit Freude nachkam, denn er war auch noch jung und sah gut aus. Jedenfalls hatte man Skanga das erzählt ... Sie wusste nur mit Sicherheit zu sagen, dass er eine gute Aura hatte. Kraftvoll! Es war nicht lange her, da war Orgrim nur ein Rudelführer gewesen. Der Herzog hatte den Mangel gelebt, und nun schwelgte er im Überfluss.
Skanga kannte Orgrim gut. Sie wusste, dass er ein Genießer war. Viele Leben lang hatte sie ihn begleitet. Die Weiber hatten es Orgrim schon immer angetan.
Ihre Hände tasteten nach dem aufgeschlagenen Buch, das neben ihr auf dem Tisch lag. Der Botschaft der Tintenpfade nachzuspüren kostete die blinde Schamanin viel Kraft. Ohne die Zaubermacht des Albensteins hätte sie es nicht vermocht.
Orgrim hatte eingängige Worte gefunden. Worte, die selbst sie berührten, obwohl sie schon so alt war, dass es ihr schien, ihr Herz ruhe gleich einem Stein unter ihrem Busen. Unverletzlich. Kalt.
Leise rezitierte sie die ersten Verse.
Wie Wölfe waren wir, vertrieben in die Fremde,
Geboren worden wie Welpen. Unter fremdem Monde
Jagten wir, rastlose Rudel, fern der Heimat,
Nah der Sehnsucht nach früh Verlorenem.
Das hatte er schon früher getan, dachte Skanga. Es gab nur eine Hand voll Trolle, die lesen und schreiben konnten, und unter diesen wenigen war Orgrim der Einzige, der sich zum Dichter berufen fühlte. Das war auch schon so gewesen, als sich das Fleisch, in das sich seine Seele gekleidet hatte, noch Dolgrim nannte.
Sie konnte die Störung im Muster der Steinplatten auf dem Boden wahrnehmen. Doch dem, der nur mit Augen danach suchte, blieb sie wohl verborgen, die geheime Falltür, durch die dieses lästige Elflein gestiegen war, das dem Herzog die Seelenfehde angesagt hatte. Dolgrim hatte einst das Weib des Elfen Farodin in einer Schlacht erschlagen. Skanga grunzte. Ein Schlachtfeld war auch kein Ort für Weiber, es sei denn, es waren Zauberinnen oder Schamaninnen. Für die albernen Schildmaiden der Elfen hatte sie nichts als Verachtung übrig. Aber was wollte man von einem Volk erwarten, bei dem sich sogar die Königin einst für eine Kriegerin gehalten hatte!
Skanga spuckte ärgerlich aus. Bei den Gedanken
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