Elfenmeer: Roman (German Edition)
geworfen!« Ihre Stimme hob sich ein wenig, und die Augen des Korallenfürsten schienen im Zwielicht belustigt zu funkeln.
»Um Eurer Maske ein paar Risse zuzufügen.«
»Ihr habt mich mordlustigen Meerjungfrauen ausgesetzt.«
»Eine Fehlentscheidung.«
»Um mir was zu beweisen? Dass Ihr hier die Macht habt? Dazu müsst Ihr mich nicht halb umbringen, das ist mir durchaus bewusst. Ich bin Eure Gefangene, und mein Leben liegt in Eurer Hand. Ihr könnt mit mir machen, was auch immer Ihr wollt, und doch werdet Ihr Eurem Ziel nicht näher kommen.«
»Mein Ziel ist es nicht, Euch meine Macht zu demonstrieren. Ich will Euch aufzeigen, welches Leid in Eurem Land herrscht. Ihr sollt sehen, welche Macht Ihr habt. Ihr seid dazu in der Lage, dieses Leid zu bekämpfen.«
Liadan warf die Arme in die Höhe. »Das bin ich nicht!«, rief sie aus und hielt erschrocken inne. Sie durfte sich nicht derart gehenlassen. Wenn sie erst anfing, ihren Gefühlen und nicht ihrem Verstand zu folgen, wäre sie hier inmitten der Piraten verloren.
»Wieso nicht?«, fragte der Korallenfürst ruhig.
Liadan drehte sich um und schritt von ihm fort, doch zu ihrem Leidwesen endete der Steg, und wenn sie nicht erneut nass werden wollte, musste sie sich dem Fürsten der Meere stellen. »Wo ist der Kobold, der für gewöhnlich für Euch spricht?«, fragte sie über die Schulter zurück. »Ich kann mich nicht erinnern, Euch je derart geschwätzig erlebt zu haben.«
Der Korallenfürst blieb, wo er war, ließ sich zu ihrer Überraschungauf dem Steg nieder und streckte die nackten Füße ins Wasser. »Ich habe entschieden, mich selbst um diese Angelegenheit zu kümmern, nachdem ich mir nun ein Bild von der Lage gemacht habe.«
»Ein Bild von der Lage?« Liadan wandte sich ihm wieder ganz zu. »Habt Ihr mich nun ausreichend beobachtet, habt eine Strategie entwickelt und meint, mich zu kennen? Zu wissen, wie Ihr mich zur Aufgabe zwingen könnt?«
»Ich weiß nun, mit wem ich es zu tun habe, ja.«
»Ihr wisst gar nichts«, zischte sie und bewegte sich auf ihn zu, um an ihm vorbei zum Ausgang zu gelangen, doch plötzlich schlang sich seine Hand um ihren Knöchel.
»Bleibt. Setzt Euch hin.«
Liadan riss empört die Augen auf. Niemand durfte es wagen, sie einfach so anzufassen, und schon gar nicht an einer solch intimen Stelle! »Was werdet Ihr tun, wenn ich mich weigere?«
»Dieses Gespräch muss geführt werden, und wenn Ihr mir nicht gehorcht, muss ich …« Er machte eine flüchtige Handbewegung, und plötzlich schoss das Wasser wie bei einem Springbrunnen in die Höhe und klatschte ihr mitten ins Gesicht.
Liadan keuchte und starrte fassungslos zum Korallenfürsten hinab. Sie wusste nicht, wie lange sie all das noch ertragen würde. Wasser rann über ihre Wangen und tropfte von ihrem Haar und ihrer Kleidung. Nie zuvor war sie so nahe an einem Wutausbruch gewesen. Der Wunsch, ihn zu treten, anzuschreien und ihn ins Wasser zu schubsen, war beinahe übermächtig. Doch sie war die Königin, also schluckte sie ihren Zorn hinunter, auch wenn ihre Muskeln vor Anspannung schmerzten.
»Das war nur ein kleiner Vorgeschmack.« Der Elf ließ ihrenKnöchel los und wies neben sich. »Ich möchte eine Lösung finden, die uns beide zufriedenstellt, und ehe das nicht geschehen ist, kann ich Euch nicht gehen lassen.«
Liadan blieb einige Augenblicke lang reglos stehen, ehe sie sich das Wasser aus den Augen wischte und sich neben ihm niederließ. Jedes weitere Aufbegehren wäre sinnlos gewesen, und Liadan wollte dieses Gespräch hinter sich bringen, damit er sie endlich in Ruhe ließ. Er sollte mit seinen verwirrenden Reden aufhören und fortgehen, denn auch wenn Liadan es sich nicht eingestehen wollte, verunsicherte er sie mit seinen Visionen und diesem wunderbaren Palast, der so rein und ohne jede Falschheit zu sein schien.
»Ihr kennt meine Entscheidung«, sagte sie und weigerte sich, diesen Mann anzusehen. Sie ließ ebenfalls ihre Füße ins Wasser gleiten und war überrascht, wie angenehm sich dies anfühlte. »Heldengeschichten vor ein paar Menschenkindern ändern nichts daran.«
»Ich will diese Menschen beschützen, Liadan. Dazu brauche ich Eure Hilfe.«
Ihr Körper spannte sich an. Nie zuvor hatte er sie mit ihrem Namen angeredet, und einen Moment lang fuhr ihr der Klang mit einem Schauer über die Haut. Doch dann wurde ihr klar, dass er sie bewusst derart formlos angesprochen hatte, um sie vergessen zu lassen, dass sie eine Königin war. Er wollte an
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