Elfenmeer: Roman (German Edition)
nicht.« Nachdrücklich zog sie ihre Hände unter der seinigen fort und richtete sich auf. Er hielt sie nicht auf.
»Ihr versteckt Euch hinter einer Mauer«, sagte er rau und kam ebenfalls wieder auf die Beine. »Wenn Ihr mit uns in den Krieg zieht …«
»Ein jeder Krieg fordert Opfer, Korallenfürst. Opfer, die ich nicht bereit bin zu bringen.«
»Aber wir werden gewinnen! Wir sind die mächtigsten Magier, die es gibt!«
»Averon hat ebenso Magier. Und selbst die Gewinner zahlen in einem Krieg einen zu hohen Preis.« Sie hob ihren Kopf und blickte ihm direkt in die Augen. »Einen Krieg entscheidet jene Seite für sich, die zu größerer Grausamkeit bereit ist. Wenn Averon sich einer Übermacht gegenübersieht, wird er handeln.« Sie schüttelte den Kopf mit ehrlichem Bedauern. »Es wird keinen Krieg geben, Fürst. Ich werde keine seelenvernichtende Magie mehr zulassen. Genauso wenig eine, die imstande ist, ein ganzes Volk zu versklaven. Die Magie wird aus Elvion verschwinden und somit auch Eure Piraten.« Sie legte beide Hände auf seine Arme, um sich auf dem schmalen Steg an ihm vorbeizuschieben. Der Korallenfürst ergriff ihre Handgelenke und starrte auf sie hinab.
»Zwingt mich nicht zu tun, was ich nicht will. Dann muss ich mein Vertrauen in einen neuen Herrscher setzen.«
Liadan betrachtete seine angespannten Gesichtszüge, die im flackernden Spiel aus Licht und Schatten hart und unnachgiebig wirkten. Doch seine Augen sprachen eine andere Sprache. Sie verrieten die Weichheit in seinem Inneren.
»Ich bin Eure Gefangene«, sagte sie ruhig und erwiderte seinen Blick. »Ihr habt die Macht, seid der Entführer. Was ist der Zweck dieser Entführung, wenn Ihr nicht bekommt, was Ihr wollt? Ihr habt nur einen Ausweg. Befreit Euch von mir. Wartet nicht länger, denn ich werde nicht nachgeben. Euch bleibt nur mein Tod.«
»Nein.« Sein Griff um ihre Handgelenke verstärkte sich. »Ich verstehe Euch, wir sind gleich, Liadan. Auch ich würde alles für meine Leute tun. Ihr werdet ein Einsehen haben und …«
»Wir sind gleich«, bestätigte Liadan, und ein wehmütiges Lächeln erschien in ihrem Gesicht, das nicht gespielt war. »Und auch wieder nicht. Denn Ihr seid nicht bereit, alles zu tun, nicht wahr?« Sie zog ihre Arme zurück, und die Finger des Korallenfürsten glitten von ihr. »Meine Stärke ist Eure Schwäche.« Sie sah ihm noch einen Moment lang in die Augen, dann wandte sie sich ab und ging unbehelligt zurück in den Palast. Die Sicherheit ihres Landes zählte, das Glück der Elfen. Alles andere war zweitrangig.
Avree
Gespannt, was Nayla so dringend mit ihm bereden wollte, klopfte Avree an die Tür ihrer Kapitänskajüte. Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern trat sogleich ein, wobei er den Kopf einziehen musste.
Als er bemerkte, wie Nayla erschrocken zu ihm herumfuhr, musste er unwillkürlich lachen. Sie stand an dem in die Wand eingelassenen Schrank und schlug die Türen zu, ehe sie sich mit dem Rücken dagegenlehnte und zu ihm aufsah.
Ihre Wangen färbten sich in ein dunkles Rot, das die bronzefarbene Haut überzog. Etwas, das er nur selten an ihr sah und das ihn jedes Mal aufs Neue entzückte. »Nun, hier bin ich.« Er breitete die Arme aus und ging auf sie zu. »Du hast gerufen und ich eile herbei. Unglaublich, wenn man bedenkt, dass ich mir tatsächlich Befehle von dir erteilen lasse.«
Nayla stieß sich vom Schrank ab und zuckte gleichmütig mit den Schultern. Ein kokettes Lächeln erhellte ihr Gesicht, und Avree war ein ums andere Mal erstaunt, was dieses Lächeln mit seinem Körper anzustellen vermochte. Er müsste doch eigentlich an ihren Anblick gewöhnt sein, müsste vorhersehen, dass sein Herz sofort seinen Takt beschleunigte und sich sein Sichtfeld nur noch auf sie beschränkte. Und doch überraschte es ihn immer wieder. Dass er zu solchen Gefühlen fähig war, erschien ihm wie ein Wunder, und auf dieses Wunder wollte Avree nicht mehr verzichten. Daher ließ er die Woge der Erleichterung mit einem zufriedenen Seufzer übersich hinweggleiten, denn jede Sekunde, die er nicht in ihrer Nähe war, hatte er Angst um sie. Einzig, wenn er sie in seinen Armen hielt, hatte er ein Gefühl der Sicherheit.
»Ich wusste, du würdest meinem Ruf folgen«, schnurrte sie, und Avree spürte, wie sich seine Lippen zu einem Grinsen verzogen. Ihm war klar, was dieses Spiel bedeutete, und er zog sie in seine Arme. Einen Moment lang verharrte er reglos, hielt sie einfach nur fest umschlungen, um
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