Elfenmeer: Roman (German Edition)
für das Wahre, und dein Liebhaber hat sie gemeinsam mit Koralle getötet.«
Plötzlich dämmerte ihr, von was für einem Mädchen er sprach. »Sie war auf dem Schiff«, sagte sie und dachte an das Rinieler Kriegsschiff, das von der Feuer- und Wasserfaust zermalmt worden war. »Deshalb bist du sofort in die Stadt gelaufen. Du wolltest wissen, ob sie überlebt hat.«
»Das hat sie nicht«, erwiderte Arn kalt. »Ihr habt gesiegt. Und falls ich je gedacht haben sollte, mein Vater wäre es wert, die Königin und alles Gute zu verraten, so ist dieser Gedanke mit ihr auf den Grund des Meeres gesunken.«
»Wir haben dir nie etwas getan, Arn. Woher kommt nur all der Hass? Deine Mutter wäre jetzt genauso tot. Ich hätte sie nie kennengelernt. Sie lebte lange vor meiner Geburt, Arn. Du kannst nicht erwarten, dass Avree sich nie wieder verliebt.«
»Mein Hass braucht dich nicht zu interessieren. Es wird Zeit, anzufangen. Lenke deine Konzentration auf die Riffe inder Versenkungsbucht und kümmere dich nicht länger um mein Herz. Das ist zu Stein erstarrt, und was auch immer du sagst, es wird nie wieder lebendig werden.«
Nayla presste die Lippen aufeinander. »Ich behaupte nicht, dass du es je leicht hattest, aber dein Hass ist unbegründet. Dein Vater hat dir nie Anlass zur Verachtung gegeben, genauso wenig wie ich.«
»Ihr seid Piraten.«
»Das bist du auch.«
Arns Körper versteifte sich einen Moment lang, dann schüttelte er den Kopf und ging an ihr vorbei, den Stern behielt er in der Hand. Nayla hielt den Atem an und wappnete sich für den Schmerz, doch plötzlich fielen ihre Arme nach vorn. Arn hatte sie losgeschnitten!
Stöhnend bewegte sie ihre Hände und Gelenke und spürte, wie das Blut schmerzhaft wieder durch ihre Adern floss.
»Weißt du«, begann Arn und kam wieder zu ihr nach vorn. »Dieses Mädchen, das du eine Straßendirne nennst. Sie war drauf und dran, ein Ritter der Königin zu werden. Doch es war Verrat, der sie hinderte. Verrat, der sie verkrüppelte.« Er hockte sich erneut vor sie hin, und Nayla erkannte zu spät die Lederriemen, die er in der Hand hielt. Ihre tauben Arme wollten ihr nicht gehorchen, und so gelang es ihm trotz Gegenwehr, ihre Handgelenke an die Armlehnen zu fesseln.
»Daumen und Zeigefinger fehlen ihr – ausgerechnet an der Schwerthand. Ich denke, ich werde auch bei dir mit diesen Fingern beginnen. Glied für Glied, bis du redest.«
Nayla widerstand der Versuchung, ihm ins Gesicht zu spucken, stattdessen legte sie so viel Spott in ihre Stimme, wie sie nur aufbringen konnte. »Ach, Liebe war das also zwischen dir und diesem Mädchen, das du kaum kanntest. Du weißt doch noch nicht einmal, was Liebe ist. Meinst du nicht eher, du hastdir in deiner verzweifelten Suche nach Nähe ausgerechnet ein Mädchen ausgesucht, das genauso kaputt ist wie du?«
Einen Moment lang hielt Arn mit dem fast handtellergroßen Metallstern in den Fingern inne, dann packte er ihr Handgelenk und setzte die Schneide an ihren Daumen, knapp unter dem Nagel. »Wir waren eins. Wir hätten uns gegenseitig heilen können. Das habt ihr verhindert. Nun lebt mit den Konsequenzen.«
Marinel
Die Torwachen winkten sie weiter und stellten keine Fragen, als sie in ihrem abgerissenen Zustand in Riniel ankamen. Vermutlich erkannten sie Valuars Zugehörigkeit zu den Noblen dieses Landes an seinem Gesicht und dem weißgoldenen Haar, auch wenn er keine Rüstung mehr trug. Es war eine lange und nervenaufreibende Reise rund um die Bucht gewesen, und da sie die Zeit hauptsächlich schweigend verbracht hatten, war ihr jeder Augenblick wie eine Ewigkeit erschienen. Doch jetzt hatte sie ihr Ziel erreicht, sie war in Riniel, und als Erstes wollte sie zum Fürsten, um zu erfahren, wo sich die königliche Flotte befand. Ihrem Wissen nach war nur die Hammer zerstört worden, und sie hoffte, dass der Rest der Flotte rund um die Kristallkönigin hatte fliehen können. Am besten, sie machte Esteraz ausfindig, damit er ihr sagte, auf welchem Schiff sie zu einem weiteren Befreiungsschlag aufbrechen konnte. Sie besaß magische Kräfte, war mächtig und wusste jetzt, dass sie die Königin befreien konnte. Und Esteraz glaubte an sie. Blieb nur zu hoffen, dass die Flotte bereits heimgekehrt und noch nicht wieder aufgebrochen war.
»Marinel …«
Der Klang von Valuars Stimme schnürte ihr die Kehle zu, und sofort beschleunigte sie ihre Schritte. Wie ein Sklave auf der Flucht eilte sie zwischen den Verkaufsständen entlang der
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