Elfenmeer: Roman (German Edition)
Magie trübte meinen Verstand, Nayla. Hätte ich auf dich gehört, hätte ich nur einmal die Augen geöffnet – wirklich hingesehen –, dann hätte ich bemerkt, was für ein falsches Spiel Arn trieb. Ich hätte dich ernst genommen, hätte dich nicht solchen Schmerzen und Gefahren ausgesetzt. Aber die Magie war immer da, floss durch mich hindurch und beanspruchte einen großen Teil meiner Aufmerksamkeit. Dies hat nun ein Ende.«
»Aber vorhin hast du doch noch gesagt, wie mächtig du warst, als du dich mit all diesen Straßenkindern verbunden hast. Ich habe doch gespürt, wie viel dir das bedeutete!«
Avree nickte langsam und brachte sein Gesicht nah vor das ihrige. »Es hat mir sehr viel bedeutet, Nayla. Ich habe mir selbst gezeigt, was ich zu schaffen vermag, habe mir bewiesen, dass ich die Kontrolle behalten kann, und jetzt … jetzt kann ich weitergehen.«
»Das ist doch Unsinn!« Nayla fuhr zurück, sodass Avrees Hand von ihr glitt. »Wie konntest du nur die ganze Zeit über mit mir über die Flucht und die Rinieler reden, ohne mir zu verraten, was du getan hast?«
»Ich hatte Angst.« Seine Grübchen vertieften sich, als er sie mit einem schelmischen Lächeln ansah. »Ich ahnte schon, dass du mich anschreien würdest.«
»Darauf kannst du wetten! Wie soll ich je damit leben können, dass du meinetwegen …«
»Nein.« Avrees Ausdruck wurde sofort wieder ernst. »Es war nicht nur deinetwegen, Nayla. Du hast mir lediglich aufgezeigt, was ich längst hätte bemerken müssen. Es war zu viel. In diesen Tagen, an denen ich an deinem Lager wachte, hatte ich genügend Zeit, darüber nachzudenken und eine Entscheidung zu treffen. Ich hatte genug Magie für mehrere Existenzen verschwendet und … es war meine Magie, die dich verletzte, meine Magie, die andere in Gefahr brachte, und es war meine Magie, die … die meinen Sohn tötete.«
»Avree …« Nayla sank zurück auf die Fersen und wusste nicht mehr, was sie sagen sollte. Keine Worte könnten ihm den Schmerz nehmen, also ergriff sie einfach seine Hand mit ihrer Linken.
»Der Zeitpunkt war gekommen«, sagte Avree und wies hoch zum über ihnen liegenden Deck. »Die Rinieler werden zum Palast kommen, und wir werden dort auf sie warten. Der letzte Kampf …« Er atmete tief durch. »Die Magie bedeutet mir nichts mehr. Der Gedanke, dich zu verlieren, hat mich gequält, verstehst du? Dagegen war der Entschluss, die Magie aufzugeben, leicht. Ich habe endlich begriffen, was in meinem Leben wichtig ist. Und ich habe begriffen, dass ich nichts anderes brauche. Ich brauche nur dich. Deine Macht über mich ist stärker, als es die Magie je sein könnte.«
»Aber der Kampf … wie willst du …«
»Die Rinieler haben die Kristallkönigin . Wer weiß, vielleicht haben sie sogar noch mehr von solchen magieunterdrückenden Schiffen. Meine Magie könnte kaum etwas gegen sieausrichten. Ich kämpfe lieber an deiner Seite, mit einem Schwert in der Hand.«
Nayla wusste nicht, was sie sagen sollte, doch das musste sie auch nicht. Avree umschloss ihre Oberarme mit beiden Händen und zog sie näher zu sich heran. »Lass uns nicht mehr von Krieg sprechen, Nayla. Denn im Moment gibt es nur eines, woran ich denken kann.«
Sie musste lachen, was ihr in Anbetracht der immer noch fließenden Tränen dumm vorkam. »Immer noch derselbe«, flüsterte sie und spürte, wie ihr plötzlich bei seinem klaren Blick ganz heiß wurde.
Avree schüttelte leicht den Kopf und ließ seine Finger zurück in ihren Nacken unter ihr Haar gleiten. »Ich will dich lieben, Nayla. Ohne dass du Angst hast. Ich will … Ich will, dass du mir vertraust und dass diesmal du diejenige bist, die die Kontrolle verliert.«
Nun fühlte sich ihr Lächeln bereits viel besser an, und Nayla konnte kaum glauben, dass sie in Anbetracht all der Schrecken plötzlich so glücklich war. »Fürchtest du nicht, dich dabei zu verbrennen?«, flüsterte sie und lehnte sich zu ihm vor.
Avree grinste, und damit war er wieder ganz der Alte. »Genau das will ich ja.«
Avree
»Diese Kinder bringen mich noch um!« Nayla kam über die Laufbrücke auf ihn zugerannt und wies hoch zu den Rahen, wo sich die Straßenkinder mit den Segeln abmühten. »Sie werden die Widerstand noch versenken und …!« Ihre nächsten Worte gingen in der Gischt unter, die über das Schiff hereinbrach, und auch Avree musste das Steuerrad fester umklammern, um nicht davongespült zu werden. Er würde nicht sagen, dass sie sich direkt in einem Sturm befanden,
Weitere Kostenlose Bücher