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Elfenmeer: Roman (German Edition)

Elfenmeer: Roman (German Edition)

Titel: Elfenmeer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Qunaj
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doch der Wellengang war gerade so hoch, um interessant zu sein. Fast brach ein Jubelschrei aus ihm heraus. Er spürte das Ruder, die Wellen, und mit jeder Ladung salzigen Wassers, die sich über ihn ergoss, fühlte er sich noch ein Stück lebendiger. Der Fahrtwind blies ihm ins Gesicht, und die Böen von der Seite brachten erfrischende Wassertropfen mit sich, die sich auf seine Haut legten. Die Wolken hingen tief, und das Tageslicht trug einen orangefarbenen Schimmer in sich, der die Welt wie verzaubert wirken ließ. Avree konnte sich nicht daran erinnern, wann er die Freuden der Seefahrt zuletzt derart genossen hatte. Seit er die Magie verbannt hatte, nahm er all die kleinen Dinge umso deutlicher wahr. Die Magie, die überall um ihn herum flirrte.
    Sein Blick fiel auf Nayla, die sich gerade wieder aufrappelte und dabei zu ihm hochblickte. Es war ihm, als dehne sich die Zeit, als bewege sie sich ganz langsam, und für einen Moment lang existierten nur sie beide. Ihre bronzefarbene Haut schimmerteunter den Perlen des Wassers, die Narbe auf ihrer Wange war kaum noch zu sehen. Ihre schwarzen Zöpfe fielen nach vorn auf ihre Brust und hoben sich vom Weiß der Bluse ab, einzelne Haarsträhnen, die der Wind gelöst hatte, flatterten um ihr Gesicht herum. Ihre warmen Haselnussaugen erwiderten seinen Blick, und für diesen Moment waren ihre Seelen eins. Sie befanden sich auf einem Schiff, ein Sturm zog auf, und sie hatten sich wieder, unverfälscht, ohne Magie, ohne Angst, sondern rein. Es war ein perfekter Augenblick, der sich geradezu unwirklich anfühlte. Avree beobachtete, wie sie zur Seite griff und sich mit dem verbliebenen kleinen Finger an der Bordwand abstützte, um sich vollständig aufzurichten. Ihre Lippen formten das schönste Lächeln, zu dem eine Frau wohl fähig war, als kümmere ihre Verletzung sie nicht weiter. Vielleicht stimmte das sogar. Sie hatte überlebt. Er hatte sie gerettet.
    »Haben diese Kinder schon jemals zuvor ein Schiff betreten?« Der unwirkliche Moment schwand, aber ihr gespielt entrüsteter Ausdruck und ihre hohe Stimme vergnügten ihn immer noch. »Die wissen ja noch nicht einmal, wo bei einem Schiff vorn und hinten ist!«
    Ein Grinsen verbergend wischte Avree sich übers Kinn und blickte den Besanmast hoch. »Vermutlich nicht. Aber wir haben es ohnehin bald geschafft. Es ist nicht mehr weit bis zum Korallenpalast.«
    »Ich schwöre dir, Avree …« Wie sehr er ihre Drohungen liebte … »Nimm ja nicht deine Hände vom Ruder, oder wir laufen aufs nächste Riff. Diese Gegend ist für eine erfahrene Mannschaft tückisch genug, da …« Sie verstummte und zog die Augenbrauen zusammen, als sie an ihm vorbeiblickte. Von einem Moment zum anderen brach der Zauber, die Unbeschwertheit, und beim Anblick von Naylas blassem Antlitzergriff Angst seine Seele. Er wollte noch nicht zurück in den Krieg. Er wollte noch etwas länger leben.
    »Was ist …?«
    Nayla beachtete ihn gar nicht mehr und ging mit eiligen Schritten zur Bordwand. Dort lehnte sie sich nach vorn, um ins Wasser hinabzublicken, und schrie so unvermittelt auf, dass Avree glaubte, ihm bliebe das Herz stehen. Ohne nachzudenken, fixierte er das Ruder und rannte zu ihr.
    »Nayla, was …« Er schlang seinen Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu ziehen, und erblickte etwas Grünliches, das im Meer trieb. Von den Wellen wurde es immer wieder an die Oberfläche hochgedrückt, überspült, sodass es in der Dunkelheit verschwand, und dann kam es wieder hoch. Avree kniff die Augen ein wenig zusammen, und als das sonderbare Ding erneut auftauchte, erkannte er, was es war.
    »Bei all den Untiefen dieser Bucht«, stieß er aus und starrte auf den Arm, der körperlos durchs aufgepeitschte Wasser trieb. Er war schlank und am Oberarm abgetrennt. Im nächsten Moment tauchte der smaragdgrün geschuppte Teil einer Schwanzflosse auf, und als Avree den Blick hob und aufs Meer hinausblickte, um mehr als nur den unmittelbaren Bereich neben dem Schiff zu sehen, hielt er den Atem an. Die Schaumkronen der Wellen waren rot, blutige Schlieren zogen durchs Wasser und dazwischen trieben überall die Körperteile von Meerjungfrauen.
    Sein Griff um Naylas Schultern verstärkte sich, er grub seine Finger in ihren Arm, um irgendetwas Reales zu spüren, dabei bemerkte er, wie sehr sie zitterte. Im nächsten Moment riss sie sich von ihm los, machte zwei Schritte zur Seite und übergab sich über die Bordwand.
    Erst jetzt gelang es ihm wieder zu atmen. Er zwang seinen

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