Elfenmeer: Roman (German Edition)
ehe sie in kühlem Ton fortfuhr: »Euer Name ist mir geläufig. Ihr sollt ein begabter Magier sein, heißt es.«
Der Elf blickte hoch, und ein Grinsen ließ zwei dicht hintereinanderliegende Vertiefungen in seinen Wangen entstehen. Er könnte schön sein, fuhr es ihr durch den Kopf, wenn nicht diese Augen wären. Vorhin hatte sie seine Augenfarbe nicht erkennen können, doch jetzt wurde sie von einem glutroten Blick getroffen, der im silbernen Licht unheimlich funkelte. Sie wusste nicht, was sie von diesem Glitzern halten sollte. War es Schalk, der darin lag, oder Wahnsinn? Niemals zuvor hatte sie einen Elfen mit roten Augen gesehen – lediglich jene, die dem Element des Feuers zugehörig waren, bekamen einen roten Schimmer in den Augen, wenn sie Magie anwandten. Doch die Augen des Feuerprinzen wiesen immer diese Farbe auf, als würde er ununterbrochen Magie ausüben. Und je länger sie ihn betrachtete, desto irrsinniger erschien ihr sein Lächeln. Nein, es war nicht schön, es war verrückt.
Liadan schluckte und hatte Mühe, ihre überlegene Miene beizubehalten. Es entsprach also der Wahrheit. Der Korallenfürst und seine Bande waren allesamt dem Wahnsinn verfallen. Und sie war in deren Hände geraten.
»Begabt?«, fragte er und ließ lachend den Kopf sinken. Als er wieder zu ihr hochblickte, stützte er einen Ellbogen auf das aufgestellte Knie. Dadurch machte er den Eindruck, als wolle er jeden Moment aufspringen, was kein angenehmer Gedankewar. »Niemand sagt von mir, ich sei ein begabter Magier, Majestät«, meinte er und sah ihr mit seinem glühenden Blick direkt in die Augen. »Ich weiß durchaus um meinen Ruf. Die Leute sagen, ich sei verrückt, magiebesessen und …«, sein Grinsen wurde noch breiter, als er Nayla zuzwinkerte, »ein unvergleichlicher Liebhaber.«
Eine Woge des Unmuts brandete in Liadan hoch, doch als sie merkte, wie sie den Atem anhielt und sich ihr Kiefer anspannte, mahnte sie sich sofort wieder zur Ruhe. Dieser Elf mochte ungehobelt und ihr Entführer sein, aber er würde sie nicht dazu bekommen, die Fassung zu verlieren. Sie hatte früh gelernt, ihre Gefühle zu verbergen. Auch wenn sie sich eingestehen musste, dass sie seit der Entführung in ihrem tiefsten Inneren Schwäche empfand.
»Ich bilde mir selbst ein Urteil über Euren Geisteszustand, Feuerprinz«, erwiderte sie und bedeutete ihm nun mit einem flüchtigen Wink aufzustehen. Er sollte nicht denken, sie fühle sich durch seine Reden beleidigt. »Im Augenblick ist es für mich eher von Interesse, was Ihr mit mir zu tun gedenkt und wann ich den Korallenfürsten treffe.«
»Bald«, antwortete er und erhob sich zu voller Größe, wobei er fast den Kopf einziehen musste. »Er wird uns bald einholen, und dann werdet Ihr auch die weiteren Schritte erfahren. Bis dahin …« Er blickte zu Nayla und machte eine kaum merkliche Kopfbewegung in Richtung Tür, »habt Ihr Gelegenheit zu rasten und Euch von den Strapazen der Reise zu erholen. Majestät.« Er verbeugte sich knapp, streckte den Arm nach Nayla aus und wollte sich abwenden, doch Liadan war noch nicht fertig mit ihm.
»Dies war keine Reise«, sagte sie ruhig, woraufhin der Elf innehielt und sie über die Schulter hinweg ansah. »Dies war ein Attentat, das Hunderten Elfen das Leben kostete und …«
»Aber nein.« Es war Nayla, die sie unterbrach. Lächelnd kam sie auf Liadan zu. »Niemand kam ums Leben.« Ihr Gesicht hatte einen freundlichen Ausdruck, und obwohl sie mit ihrer gebräunten Haut selbst für einen Menschen einen absonderlichen Anblick bot, konnte man sie auf ihre Art schön nennen. »Niemand wurde auch nur verletzt«, sagte sie, und ihre hohe Stimme nahm einen tröstenden Tonfall an. »Der Korallenfürst wollte Euch doch nur sehen und ein paar Dinge mit Euch bereden. Er würde niemanden verletzen!«
»Aber …« Zum ersten Mal spürte Liadan, wie ihre Maske der Gleichgültigkeit Risse bekam. Hoffnung, Verwirrung, Zorn. »Die Welle … Wie ist das möglich?«
»Magie.« Nayla hob die Schultern. »Ihr müsst wissen, dass der Korallenfürst näher dran war, als Ihr ahnt. Mit Hilfe von Flosses Goldzahn , der es möglich ist … nun ja … ungesehen zu bleiben.« Sie warf dem Feuerprinzen einen hilfesuchenden Blick zu, doch der grinste nur und bedeutete ihr fortzufahren. Also seufzte die Menschenfrau und wandte sich ihr wieder zu. »Der Korallenfürst war auf der Goldzahn und hat das Meer befehligt. Weil er so nahe dran war, hatte er es gut unter Kontrolle und konnte
Weitere Kostenlose Bücher