Elfennacht 01. Die siebte Tochter
sie eine einsame Gestalt, die von einer Schar Hunde umringt war.
»Cordelia«, sagte sie leise zu sich selbst und plötzlich wollte sie nicht länger alleine sein.
Sie lief über die Brücke und durch das Tor und rannte mit wehenden Röcken den sanft ansteigenden Hang hinauf.
Die beiden Schwestern schlenderten, umgeben von einem Rudel Hunden, durch den höher liegenden nördlichen Park. Zu Tanias Erleichterung stellte Cordelia keinerlei Fragen und so wanderten sie schweigend über die Wiesen.
Vor ihnen tauchten einige Bäume auf und Tanias Laune besserte sich schlagarti g – sie rannte los, die Hunde folgten ihr. Im grünen Licht der Blätter wirkte ihr Fell wie gesprenkelt.
Als Cordelia pfiff, kehrten die Hunde um und stürmten den Hang hinunter auf sie zu. Lachend beobachtete Tania, wie die Tiere um ihre Herrin herumwuselten.
Sie ging zum Rand des Wäldchens und winkte. Cordelia winkte zurück. Tania wollte gerade zu ihr laufen, als sie hinter sich eine Stimme vernahm. Sie blieb wie angewurzelt stehen und spähte angestrengt in das Wäldchen.
Plötzlich trat Edric hinter einem Baum hervor. »Tania, ich bin’s.«
Tania runzelte die Stirn und ihre Stimmung sank augenblicklich.
»Bitte«, flehte er und ging einen Schritt auf sie zu. »Du musst mich anhören.«
Tania stolzierte zu ihm hinüber, gab ihm eine schallende Ohrfeige und bevor er noch etwas sagen konnte, machte sie auf dem Absatz kehrt und lief den grasbewachsenen Hang hinunter zu ihrer Schwester und den Hunden.
Cordelia blickte sie verblüfft an. »Was hat Master Chanticleer denn verbrochen, dass du ihn so behandelst?«
»Er?« Tania schaute sich um, aber von Edric war keine Spur mehr zu sehen. »Ach, er ist einfach hundsgemein. Frag lieber nicht!«
»Ich habe bereits gefragt«, sagte Cordelia.
»Ich erzähl’s dir aber nicht. Er hat es verdient, das ist alles, was ich dazu sagen kann.« Tania bückte sich nach einem Stock, warf ihn weit von sich und rannte den Hunden hinterher.
Mit etwas Glück musste sie Edric nie wiedersehen. Er hatte sie an der Nase herumgeführt und ihr Herz gebroche n – und das alles auf Geheiß seines Herrn. Und jetzt versuchte er, sich wieder bei ihr einzuschmeicheln! Warum? Um sein Gewissen zu erleichtern? Keine Chance! Und wenn er auf Knien angerutscht käm e – sie würde ihm nicht verzeihen!
XV
» I ch weile nicht, wo die zarten Knospen zieren das Land.
Noch werde ich irr’n, wo zu spüren ist der Griff von Winters Hand.
Und wenn des Sommers Au beschienen wird vom Himmelsblau, bin ich weit weg von hier und nah bei dir.«
Am Nachmittag fanden sich vier der Schwestern im Gemach der Prinzessinnen unter dem Dach ein. Tania und Zara sangen eine alte Weise und begleiteten sich dabei auf dem Spinett und der Laute. Zara übernahm die zweite Stimme, während Tania die Melodie sang und dazu, ohne zu zögern, die Töne auf der Laute zupfte. Das Instrument fühlte sich vertraut an, der birnenförmige Körper lag in ihrem Schoß, der Hals ruhte sicher in der Beuge von Daumen und Zeigefinger und ihre Finger tanzten über die Saiten.
Sancha hatte ein Buch auf dem Schoß, blickte aber häufig von den Seiten auf und beobachtete ihre Schwestern. Cordelia hielt eine feine Knochennadel, in den ein grüner Seidenfaden eingefädelt war, in der Hand. Sie arbeitete an einer Stickerei, hatte aber ebenfalls innegehalten, um dem Duett ihrer Schwestern zu lauschen.
Zara spielte schließlich einen letzten Triller auf dem Spinett, den Tania mit ihrer Laute aufnahm und Cordelia und Sancha klatschten, als das Lied zu Ende war.
»Ach, wie sehr habe ich euer Musizieren vermisst«, sagte Sancha. »Und dies ist eine wunderbare Melodie.«
»Und ein äußerst liebreizender Text«, fügte Cordelia hinzu. »Bin ich weit weg von hier und nah bei dir.« Sie lächelte. »Wohl kaum ein Satz, den Master Chanticleer jemals von Tanias Lippen vernehmen wird.«
Tania sah sie an. »Darüber wollten wir doch nicht mehr reden.« Sie hatte Cordelia gebeten, niemandem von ihrer Begegnung mit Edric zu erzählen.
Zara blickte interessiert auf. »Warum? Erzähl«, drängte sie. »Was ist mit Gabriels Diener?«
Cordelia grinste. »Ich darf nichts sagen«, erklärte sie. »Ich habe geschworen, Stillschweigen zu bewahren.«
»Oh, danke«, sagte Tania und verdrehte die Augen. »Du hast das Geheimnis ja sehr lange für dich behalten!«
Zara rutschte von ihrem Hocker und setzte sich neben Tania. »Du hast zwei Möglichkeiten«, sagte sie und legte ihr einen
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