Elfenschiffe (Mithgar 03)
Aravan über das, was sie beim Traumwandeln gesehen hatten. Die Pysk konnte sich nur an ganz wenige Bruchstücke erinnern, und auch nur an solche aus ihrem letzten Traum.
[»Heute Nacht, wirst du dich mit Sperlings Traumseele unterhalten.«]
[»Sperling?«]
Ontah zeigte auf Jinnarin. [»Sperling.«]
Aylis lächelte. »Er nennt Euch Sperling, Jinnarin, und heute Nacht, wenn Ihr träumt, soll ich mich mit Euch unterhalten.«
»Sperling?« Jinnarin grinste. »Das kommt mir irgendwie passend vor. Habt Ihr auch einen Namen, Aylis?«
»Er nennt mich Lichtschwinge. In der Gemeinsprache bedeutet sein Name, Ontah, Weiße Eule. Ihr müsst Euch die Namen nicht merken, Jinnarin, denn nun, da es Euch gesagt wurde, werdet Ihr es im Traum einfach wissen… so ist es im Traum immer.«
»Vielleicht muss ich mir Eure Namen nicht einprägen, Aylis, aber ich hoffe inständig, dass ich mich nach dem Aufwachen an die Träume erinnern kann.«
Sie standen auf einem hohen Felsen mit Blick auf ein tiefes Tal. Aylis hatte den Arm um Jinnarin gelegt, da sie zu ihrer Überraschung festgestellt hatte, dass sie und die Pysk dieselbe Größe hatten. Neben den beiden Frauen kniete Ontah, der den Wald tief unter ihnen betrachtete.
Die Seherin wandte sich an die Pysk. »Sperling, erzähl mir, wo wir sind.«
»In Darda Glain, Lichtschwinge.«
»Auf Rwn? Ich habe diesen Ort noch nie gesehen.«
»Er ist Außenseitern verschlossen.«
Aylis nickte, da sie verstand.
Ontah erhob sich und zeigte auf die wabernden Wolken in der Ferne. »Wir müssen jetzt gehen, Lichtschwinge.«
»Ach, bleib doch noch.« Jinnarin gähnte. »Ich will nicht, dass ihr geht.« Ihre Augenlider wurden schwer, und ihr Blick schien sich zu verlieren.
Aylis drückte die Schulter der Pysk. »Wir haben keine Wahl.«
Während Aylis sich zu Ontah umwandte, sagte dieser: »Du gehst voran, Lichtschwinge.«
Neben Aylis öffnete sich eine Tunneleinmündung in der Luft. Ontah nickte Aylis zu, und sie traten ein.
»Wie viele Träume?«
»Fünf«, antwortete Aylis.
»Aber ich kann mich an keinen mehr erinnern, und dabei habe ich es mir doch so gewünscht.«
Aylis und Ontah waren gerade erst aufgewacht, und hatten festgestellt, dass es bereits spät am Nachmittag war.
Jinnarin seufzte. »Wieder kein Albtraum.«
Ontah lächelte und sagte etwas zu Aylis. »Er sagt, dass Ihr bemerkenswert gesund seid, Jinnarin.«
»In meinen Träumen, meint Ihr, neh?«
Aylis übersetzte dies für Ontah. Wieder lächelte der alte Mann die Pysk an, dann tippte er sich an den Kopf, zeigte auf sie und redete mit Aylis. »Er meint, geistig und seelisch gesund.«
Aravan kam mit seinem Rucksack in die Blockhütte. Er kauerte sich neben das Feuer und packte Haferkuchen aus. [»Ich war bei deinem Volk. Sie schicken etwas zu essen.«]
Ontah lächelte. [»Ich bin froh. Für das Traumwandeln braucht man viel Nahrung.«]
Aylis pflichtete ihm bei, obwohl sie nichts sagte, denn sie fühlte sich sehr erschöpft.
Sie flogen über die dunklen Wolken eines sich zusammenbrauenden Gewitters hinweg. Jetzt stieß Jinnarin herab, und Aylis und Ontah folgten ihr. Unter ihnen wogten haushohe Wellen in einem hellgrünen Meer, und eine schwarze Galeone trieb mit vollen Segeln über die bewegten Fluten, während der Wind heulte und Blitze in die Masten der Galeone einschlugen.
Aylis blickte in die ebenholzfarbene Nacht, und in der Ferne konnte sie eine zerklüftete Insel ausmachen, aber auch andere Formen waren auf der Oberfläche des wogenden Meers vage erkennbar… doch worum es sich handelte, konnte sie nicht sagen.
Plötzlich standen die drei in einem Kristallschloss und schauten auf die tobenden Naturgewalten. Wie sie durch die soliden Mauern blicken konnte, wusste Aylis nicht, aber sehen konnte sie, und das schwarze Schiff raste durch die hohen Wellen – und ihnen – entgegen.
Ein Schauder der Furcht überlief Aylis und raubte ihr den Atem.
Dennoch hatte sie die Arme um Jinnarin gelegt, denn die Pysk zitterte vor Entsetzen. Was diese entsetzliche Furcht hervorrief, konnte sie nicht sagen.
»Pass auf, Lichtschwinge, ein böser Geist ist in der Nähe«, schrie Weiße Eule, um das Knistern der Blitze, das Grollen des Donners und das Tosen der Wellen zu übertönen.
Aylis drehte sich zu Ontah um, der neben sie trat. »Bleib bei Sperling und beschütze sie. Flieh, wenn es nötig wird. Ich werde suchen.«
Während Weiße Eule sich entfernte, hatte Aylis das Gefühl, in einen anderen Traum gezerrt
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