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Elfenschwestern

Elfenschwestern

Titel: Elfenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Arme darum, legte den Kopf auf die Knie. Blieb, wo sie war. Dann hörte sie ihre Mutter vor dem Telefontischchen im Flur zusammensacken. Das dumpfe Geräusch war wohl Kates Hinterkopf, der gegen die Wand schlug. Das gepresste Luftholen ein unterdrücktes Schluchzen.
    Lily zitterte. Sehnte sich danach, nicht allein Angst haben zu müssen. Ich bin hier, Mum!, rief sie stumm. Ich bin noch hier.
    Kate tippte eine Nummer ein. Es dauerte lange. Sie vertippte sich dreimal. Inzwischen liefen ihr Tränen über die Wangen. Lily hörte, wie ihre Mutter sie ungeduldig fortwischte.
    „Es ist mein Sohn“, stöhnte Kate schließlich in den Hörer. „Um Gottes willen, schicken Sie schnell jemanden her.“

 
    4
    So quick bright things come to confusion. ~ So schnell umnachtet sich, was Helle scheint.
    Sie brauchten fünfzehn Minuten. Lily nutzte diese Minuten gut. Sie hörte Kate in ihr Schlafzimmer wanken und eine Schranktür öffnen. Ein Kleiderbügel schlug scheppernd gegen die Rückwand, Bettfedern stöhnten plötzlich auf. Lily sah Kate vor sich, wie sie mit einer Jacke oder einer Hose in der Hand auf ihrem Bett saß und blicklos vor sich hin starrte. Lilys Herz flog ihr zu, aber sie dachte: Nicht jetzt.
    Lily musste sich konzentrieren, durfte nicht an ihren kleinen Bruder denken, nicht an seine Angst und nicht an ihre Angst. Sie kauerte sich neben Grays Schlafsofa nieder und atmete tief ein. Ja, sie konnte die Eindringlinge riechen. Sie dufteten nach feuchter Erde und totem Laub. Nach einem Herbstwald. Nach mondhellen Nächten, in denen sie unter dem Sternenhimmel tanzten, während die Menschen schliefen.
    Lily riss die Augen auf. Das konnte nicht sein!
    Unruhig begann sie durch den Raum zu tigern, folgte der Duftspur. Hielt inne, als sie Körner unter ihren nackten Fußsohlen spürte. Lily bückte sich und klaubte weiße Kristalle von ihrer Haut. Eine Ahnung befiel sie. Vorsichtig kostete sie ein Körnchen. Salz. Es lag rings um das Sofa verstreut.
    Ein Schutzkreis, dachte Lily. Jemand hatte einen Schutzkreis um Grays Schlafplatz gezogen.
    Langsam folgte sie ihrer Fährte weiter, hin zu den Fenstern. Und Lily sah ein Stück jenes roten Seidenbandes, das Kate in der obersten Kommodenschublade im Flur aufbewahrte und großzügig um Geschenke zu wickeln pflegte. Ein paar Zentimeter waren um einen Fenstergriff geschlungen und bewegten sich leise in der Zugluft.
    Ein rotes Band. Ein Kreis aus Salz. Schutzriten gegen das Volk der Fey, die Granny ihre Enkelinnen Rose und Lily gelehrt hatte. Und davor wahrscheinlich auch ihre Tochter Kate.
    Lily fühlte sich wie betäubt.
    Sie hörte Kate hinter sich das Wohnzimmer betreten. Ihre Schritte waren schleppend, verrieten eine Erschöpfung, die nicht nur körperlich war. Lily drehte sich um. Sie wollte ihrer Mutter in die Augen sehen bei dem, was sie jetzt sagte.
    „Das linke“, sagte Lily fest. „Es war das linke Fenster. Es steht noch einen Spalt offen. Dadurch sind die Fey gekommen. Aber das weißt du wahrscheinlich schon.“
    Kates Gesicht zersprang wie ein Spiegel.
    Für einen Moment sah Lily, wie Angst, Verzweiflung und Ratlosigkeit die Züge ihrer Mutter verzerrten. Für einen Moment glaubte sie, Kate würde ihr alles sagen, was sie wusste, würde die Mauer einreißen, die sie in den vergangenen Minuten zwischen ihnen errichtet hatte. Doch dann nahm sich Kate mit sichtlicher Anstrengung zusammen und setzte die Scherben wieder an ihren Platz.
    Lily versuchte es trotzdem noch einmal. „Du hast versucht, ihn zu schützen, Mum“, flüsterte sie. „Du hast das Salz verstreut, richtig? Und das rote Band genommen. Wie konnten sie ihn trotzdem holen? Sind diese Fey so mächtig? Wer sind sie?“
    Kate schüttelte nur den Kopf.
    „Mum“, drängte Lily. „Du musst mit mir reden.“
    „Ich kann nicht“, wisperte Kate.
    Lily machte einen Schritt auf sie zu. Und noch einen. Und fühlte, wie sich ihre Mutter ihr zuneigte. Wie ihr angespannter Körper weich und nachgiebig wurde. Lily breitete die Arme aus und war sicher, Kate würde hineinsinken.
    Da klingelte es. Es war ein schriller, unerbittlicher Klang, der Kate durchzuckte. Sie wich vor ihrer Tochter zurück. Und sah mit diesem Gesicht so klar und hart wie Glas plötzlich aus wie ein völlig anderer Mensch.
    „Sie sind da“, sagte sie, drehte sich um und verließ den Raum.
    Sie stellten sich vor als Superintendent Davis und Sergeant Webber. Sergeant Webber war der Ältere. Er hatte fast farblose Augen und kaum mehr Haare,

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