Elfenschwestern
in ihrer Stimme. Sie wollte unbedingt, dass Rose es fühlte. Sie wollte nicht allein sein damit.
Rose betrachtete ihre Schwester einen Augenblick. „Wir haben nicht dieselben Kräfte, Lily“, sagte sie dann. Und sie klang fast ein wenig abweisend, als sie das sagte. „Deine Sinne sind schärfer.“
„Aber du und Gray, ihr riecht und hört auch viel besser als Kate“, protestierte Lily.
„Nicht so gut wie du“, widersprach Rose. „Tiger. Das haben wir nie. Du bemerkst Dinge, die sonst niemandem auffallen.“
Und plötzlich hörte Lily wieder die Worte, die der junge Fey zu ihr gesagt hatte: Ich bin ein Jäger. Genau wie du.
Lily bekam einen trockenen Mund.
Rose beobachtete sie. „Du weißt, dass ich Recht habe, oder, Schwesterherz?“
Lily nickte zögernd. „Ich fürchte.“
Rose lachte auf. Hart klang das.
Lily war beunruhigt. „Was?“, fragte sie.
„Was?“, fragte Rose zurück. „Das fragst du allen Ernstes?“ Sie wandte sich ab, schlüpfte aus ihrem Tweedmantel und hängte ihn an die Garderobe.
„Rose?“, fragte Lily.
Rose wirbelte herum. „Was ist mit mir?“, rief sie. „Das möchte ich wissen. Du hast diese geschärften Sinne, hattest du schon immer, du hast die Pixies gesehen, den Elfenjungen auf dem Dach und die Elfenfrau eben auf der Bühne, von der du erzählt hast. Aber ich? Was habe ich? Was kann ich denn schon? Was soll ich dazu beitragen können, Gray zu retten?“
Lily öffnete den Mund, um ihr zu antworten. Und fand dann nicht schnell genug die richtigen Worte.
Rose nickte. „Siehst du“, sagte sie so verächtlich, dass es Lily in der Seele weh tat. „Ich bin nur schön. So schön, dass es die dummen Menschenknaben fast um den Verstand bringt. Aber das ist, wie ich aussehe, das ist nicht, was ich bin. Und das ist sicherlich nichts, worauf man stolz sein kann. Nicht mal die Pixies wollten mich, sie waren nur hinter Gray und dir her.“
„Rose, hör auf“, protestierte Lily schockiert. Sie hatte nicht gewusst, dass Rose solche Gedanken hegte. „Du bist nicht nur schön. Du bist die beste Schwester der Welt. Für mich. Und für Gray. Du bist ein guter Mensch, Rose Fairchild!“
Roses Gesichtsausdruck veränderte sich. Die Wut wich und machte Zärtlichkeit Platz. Sie hob eine Hand und strich Lily liebevoll über die Wange. „Ach, Lilylein“, sagte sie. „Aber ich bin doch gar kein Mensch.“
„Rose?“
Beide Schwestern fuhren zusammen. Duncan stand im Durchgang zur Küche. Entweder bemerkte er nicht, dass er hier gerade etwas unterbrach, oder aber es war ihm herzlich egal. „Rose“, sagte er und bohrte seinen Blick in ihren, „du musst mir sagen, was hier los ist. Ich bitte noch genau dieses eine Mal darum.“
Lily war beunruhigt. Duncan klang ungewohnt ernst und, ja, aufgewühlt war vielleicht das richtige Wort. Und wie soll er auch nicht, dachte Lily beklommen. Er hat mitgekriegt, wie ich heute fast durchgedreht bin, er sieht, dass Rose Kummer in sich hineinfrisst, aber keiner von uns weiht ihn ein. So behandelt man Menschen, die einem etwas bedeuten, wirklich nicht.
„Weißt du, wie ich mich fühle?“, fragte Duncan.
Lily zuckte zusammen. Als hätte er ihre Gedanken gelesen.
„Weißt du das, Rose?“
Richtig, er redete ja gar nicht mit ihr. Ich sollte nicht danebenstehen, schoss es Lily durch den Kopf. Sie versuchte, sich unsichtbar zu machen, zog den Kopf ein und huschte den Flur entlang zum dunklen Wohnzimmer. Jolyon, der dort an einem der Sprossenfenster stand und in die Nacht hinaussah, drehte sich um, als Lily hereinkam, ihren Dufflecoat auf das große Sofa mit den Kissenbergen warf und sich hinterher.
Im Flur pfefferte Rose gerade ihre Stiefel in die Ecke. „Nein“, rief sie so hörbar wütend, dass Lily die Schultern hochzog, „ich weiß nicht, wie du dich fühlst, Duncan. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: Es ist mir völlig egal!“
Stille folgte auf diesen Ausbruch.
„Gut“, sagte Duncan schließlich. „Dann ist wohl alles gesagt. Leb wohl, Rose. Ich hoffe, deinem Bruder geht es bald besser.“
Die Haustür fiel ins Schloss.
Jolyon setzte sich neben Lily. Rose stampfte die Treppe hinauf. Als Lily hörte, wie die Zimmertür ihrer Schwester zuschlug, rutschte sie wieder vom Sofa.
„Lily“, sagte Jolyon leise und lehnte sich zu ihr herüber.
Aber Lily schoss hinaus in den Flur. So leise es ging, öffnete sie die Haustür. Duncan war schon bei seinem Auto.
„Duncan“, rief sie halblaut.
Er drehte sich um. Als er sie da
Weitere Kostenlose Bücher