Elfenschwestern
als Eiskristalle auf ihrer Haut schmolzen. Gray schaute ihnen voller Sehnsucht zu.
Lily verstand ihn nur zu gut. „Na dann los, Bruderherz“, sagte sie. „Worauf warten wir noch?“
Gray wirbelte herum, dass seine Kapuze durch die Luft flog. „Du kannst doch nicht, Tiger.“
„Oh, doch.“ Lily stand vorsichtig auf. „Vielleicht kriege ich keine wilden Sprünge hin, aber ein paar Runden sind kein Problem.“
„Und wenn du wieder fällst?“
Lily sah ihn tadelnd an.
„Jaaa“, Grays Blick flackerte. „Normalerweise fällst du nie auf dem Eis. Aber heute?“
Heute war das zugegebenermaßen nicht garantiert.
„Du“, sagte Lily kurz entschlossen zu Jolyon, „du kannst nicht zufällig Schlittschuh laufen?“
Er grinste.
Das war neu. Es veränderte ihn vollkommen. In seinem stahlblauen Blick tanzte jetzt ein übermütiger Funke.
Himmel, dachte Lily schwach.
„Zufällig kann ich Schlittschuh laufen. Warum?“, fragte er betont unschuldig.
Er wollte es sie sagen hören. Lily holte tief Luft, um nicht verlegen zu werden. „Würdest du vielleicht mitkommen?“, fragte sie ihn. „Mit uns? Mit mir? Damit …“ Sie stockte hilflos.
„Klar.“ Er erhob sich.
Gray jubelte. „Los, wir holen die Schlittschuhe. Auf dem Eis wird Mum uns sowieso als Erstes suchen. Schnell, schnell, nicht, dass es aufhört zu schneien.“ Er stürzte davon.
„Keine Sorge, es hört nicht auf“, rief Lily ihm nach.
Jolyon sah sie an. „Wenn ich dein Geleitschutz sein soll, dein Netz und doppelter Boden“, sagte er mit gesenkter Stimme, „bedeutet das, ich werde nicht von deiner Seite weichen. Ich nehme meine Aufgaben ernst, Tigermädchen.“
Lily spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Und sie wusste, dass schamrote Wangen bei ihrer blassen Haut nicht eben unauffällig waren.
„Mach dir keine Gedanken“, sagte er ernst.
Oh, bitte nicht! Sprach er denn immer aus, was er dachte?
„Mach dir keine Gedanken“, wiederholte er. „Ich lass dich schon nicht fallen.“
Lily musste unwillkürlich lachen. Und glaubte ihm sofort: Fallen lassen würde er sie nie.
Jolyon streckte ihr seine Hand entgegen.
Lily zögerte nur kurz, dann legte sie ihre hellen Finger in seine viel dunkleren.
„Auf geht’s“, sagte er und zog sie mit sich.
Ganz unbeeindruckt schien er, als wäre es völlig normal, Hand in Hand mit ihr zu gehen. Doch Lily war sich seines warmen, festen Griffs nur zu bewusst, während sie sich durch die Menge schlängelten. Sie dachte: Das ist ganz anders, als Gray zu halten, damit er nicht verloren geht. Oder Granny, damit sie nicht fällt. Oder Rose. Oder Mum.
Es war aber auch anders, als die Hand von Tommy Sullivan zu dulden. Oder die von Seamus O’Hara nicht abzuschütteln. Das war etwas, was Lily eben tat, weil es irgendwie dazugehörte. Sie hatte jedoch nichts dabei empfunden als schlimmstenfalls unterdrückten Widerwillen oder bestenfalls Gleichgültigkeit. Ihre Finger in Jolyons zu spüren, war etwas völlig anderes. Ausgerechnet Lily, die ihre geschärften Sinne gewohnt war, die immer viel mehr wahrnahm als andere, konnte sich plötzlich nur noch auf eines konzentrieren: auf die paar Quadratzentimeter seiner Haut und ihrer Haut, die sich berührten.
Jolyon ließ sie erst los, als sie sicher auf einer Bank saß, ein Paar weiße Eislaufstiefel mit blanken Kufen im Arm. Dort kniete er vor ihr nieder. „Aschenputtel“, sagte er, während er ihr den ersten Schuh aus der Hand nahm, „lass mich das machen.“
Und weil ihre Knie wirklich so wund waren und weil es, sie konnte es ruhig zugeben, ihr gefiel, dass er sie Aschenputtel nannte, ließ sie ihn.
„Weißt du“, sagte sie, während sie auf sein Haar herabblickte und sich fragte, wie es sich wohl anfühlen würde, „du wirst es nicht glauben, aber normalerweise kann ich mir selbst die Schuhe zubinden. Und mich selbst anziehen. Und, du glaubst es nicht, normalerweise kann ich sogar, ohne zu fallen, durchs Leben gehen.“
„Oh doch“, sagte er aufrichtig, „das glaube ich sofort.“
Hinter Gray traten sie aufs Eis. Kaum, dass Lily sich für den ersten Schritt abstieß, verspürte sie den Drang zu rennen. Um sich davon abzuhalten, umfasste sie Jolyons Hand fester.
„Angst?“, fragte er.
Rasch drehte sie sich zu ihm um.
Er lachte. Zum ersten Mal. Breit und mit weißen Zähnen. „Nein“, beantwortete er seine eigene Frage. „Du nicht. Du niemals.“
Gray sauste heran. Hatte glänzende Augen und vor Kälte gerötete Wangen. Griff nach
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