Elfenschwestern
wütend wurde, richtig wütend, und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Du glaubst gar nicht, wie egal mir das ist. Standesdünkel ist ja wohl total aus der Mode.“
Da lachte Emma hell auf. „Glaubst du etwa an ein Recht auf Gleichberechtigung von Mensch und Elf? Am besten gesetzlich verankert?“
Lily blinzelte überrascht. „Ja, genau das sollte es geben.“
Emma lächelte. „Ich wusste es. Du bist nett. Ein bisschen verrückt vielleicht, aber nett.“ Ein Schatten fiel über ihr Gesicht. „Oh, und jetzt musst du gehen, denn da kommt die Ehrenwerte Olive.“
Es stimmte. Die langgliedrige Olive stolzierte heran. Ihre Zähne glitzerten weiß, als sie lächelte, ihre Saphirohrringe funkelten blau, als sie vertraulich den Kopf zu Lily hinunterneigte. Sie war tatsächlich eine ganze Handbreit größer.
„Tigerlily, du schlimmes Mädchen, wir haben dich schon gesucht“, beschwerte sich Olive.
Ach ja? Und wieso wir? Oh, der Hofstaat versammelte sich hinter Olive. Mary-Ann, eigentlich ganz hübsch in ihrem flaschengrünen Kleid und dem blonden Pagenkopf, zerstörte das Bild, weil sie bei Lilys Anblick ein Gesicht machte, als habe sie in etwas Saures gebissen. Lady Penelope und Constance schienen hingegen nicht so übellaunig gestimmt zu sein.
„Lily, kommst du mit in den Salon?“, fragte Lady Penelope munter und drehte sich ihren brünetten Pferdeschwanz um den schlanken Zeigefinger.
„Ja, wenn du mitkommst, ist Alistair bestimmt auch dabei“, wisperte Constance verschwörerisch.
Lily musste grinsen. Sie fand es sympathisch, dass Constance offen zugab, Alistair ködern zu wollen.
Olive aber stemmte eine Hand in die maisgelbe Taille genau über ihrem vorstehenden Hüftknochen. „Was soll das denn bitte heißen, Constance? Ali lässt sich nicht beeinflussen.“
„Nein, natürlich nicht, Livvie.“ Constance klimperte mit ihren außergewöhnlich langen Wimpern und machte ein unschuldiges Gesicht.
Lily merkte, dass Emma neben ihr immer mehr mit der Wand zu verschmelzen schien. Das war ja auch kein Wunder: Die Elfenmädchen benahmen sich so, als sei Emma überhaupt nicht da. Sie redeten ausschließlich mit Lily.
Lily öffnete gerade den Mund, um Emma ins Gespräch einzubeziehen, da raunte jemand dicht an ihrem Ohr: „Tigerlily.“
Lily zuckte zusammen. Erstens hatte Alistair sie erschreckt. Zweitens klang ihr Name wie eine Liebkosung, wenn Alistair ihn so aussprach. Die Art, wie sich Olives Augen zu schmalen Schlitzen verzogen, zeigte Lily, dass sie es auch gemerkt hatte.
„Kommst du mit, noch ein bisschen Billard zu spielen?“, erkundigte Alistair sich bei Lily. „Deine Schwester hat schon Ja gesagt.“
„Ich möchte den Abend aber gern mit meiner neuen Freundin verbringen.“ Lily zog Emmas Arm durch ihren eigenen.
Das Menschenmädchen wurde stocksteif neben ihr.
„Wie schön.“ Alistair kräuselte für Emma seine Mundwinkel. „Je mehr, desto lustiger. Wer magst du wohl sein, Lilys Freundin?“
„Das ist Emma Swanscot“, soufflierte Mary-Ann zischelnd.
„Ihr Vater ist der Duke of Westerholme.“ Olive schürzte verächtlich die üppigen Lippen.
„Ach“, sagte Alistair. „Also, dann willkommen, Lady Emma.“
Lily konnte ihm nicht ansehen, ob er verstanden hatte, was seine Elfenfreunde ihm hatten sagen wollen. Störte es ihn, dass Emma ein Menschenmädchen ohne einen Tropfen Feyblut war? Oder nicht?
„Ich war das erste Mal vor fünf Jahren auf Englefield Park“, sagte Emma leise. Sie hielt den Blick gesenkt, während sie sprach. „Da war ich elf. Und du hast mir gezeigt, wie man ohne Sattel reitet.“
„Wirklich?“ Alistair wirkte verblüfft.
Lily konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ja, Alistair geht gern mit jungen Mädchen ausreiten. Ist es nicht so, Mylord?“
„Unbedingt.“ Alistair grinste zurück. „Aber jetzt finde ich, wir sollten etwas Billard spielen.“
Lily wusste nicht, wohin ihre Tanten, der Duke und all die anderen Erwachsenen verschwunden waren, aber im dunkel getäfelten Herrenzimmer drängten sich nur junge Fey. Sie reichten an den mit grünem Filz bezogenen Billardtischen die Queues herum, lehnten an der Hausbar, lümmelten sich auf den schweren Ledersesseln unter den Reihe um Reihe an der Wand hängenden Geweihen oder traten, meist zu zweit, auf die Terrasse in die Winternacht. Durch die angelehnten Türen zogen immer wieder Kälte und Zigarettenrauch in den Salon.
Rose spielte eine Partie Billard. Wenn sich ihr Körper über den
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