Elfenstern
schien ihm gar keine Beachtung zu schenken, aber kaum
streckte
Haplo die Hand aus, als das Tier wie von der Sehne geschnellt
über den Rasen
zum Haus stürmte. »Hund! Komm her! Hund! Ich warte
nicht, hörst du?« Haplo tat
einen drohenden Schritt zum Schiff hin. »Hund, du wertloses,
flohverseuchtes …
O Hölle!« Der Patryn folgte dem Vierbeiner.
»Der Hund bellt!« rief Zifnab.
»Lauft um euer
Leben! Mordio und Zeter!«
Niemand rührte sich, außer Aleatha, die
einen
gelangweilten Blick über die Schulter warf.
»Wo ist Callie?«
Paithan vermied es, seiner Schwester in die
Augen zu sehen. »Sie kommt nicht mit.«
»Dann bleibe ich auch hier. Es war ohnehin eine
alberne Idee. Ich warte hier auf meinen Verlobten.«
Dem Fenster den Rücken zugewandt, schritt
Aleatha zum Spiegel und prüfte ihr Haar, ihren Aufzug und
ihren Schmuck. Sie
trug ihr schönstes Kleid, dazu die Juwelen, die ihr aus der
Erbschaft ihrer
Mutter zugefallen waren. Das Haar hatte sie kunstvoll zu einer
besonders schmeichelhaften
Frisur aufgesteckt. Nie zuvor, bestätigte ihr der Spiegel,
hatte sie schöner
ausgesehen.
»Ich kann mir nicht denken, warum er nicht
erschienen ist. Sonst ist mein Verlobter die Pünktlichkeit in
Person.«
»Er ist nicht gekommen, weil er tot ist,
Thea!«
Angst und Kummer schnürten Paithan die Kehle zu.
»Kannst du das nicht
begreifen?«
»Und wir werden die nächsten
sein!« Roland
deutete aus dem Fenster. »Außer wir gehen endlich
an Bord des Schiffes. Ich
habe keine Ahnung, was diese Scheusale zurückhält,
aber lange werden sie nicht
mehr zögern.«
Paithan schaute sich im Zimmer um. Zehn Menschen
– Sklaven, die trotz des Drachen bei den Quindiniars
geblieben waren – hatten
sich mit ihren Familien ins Haus geflüchtet. Die
Köchin saß in einer Ecke und
schluchzte hysterisch, umringt von einer vielköpfigen, bunt
gemischten Schar –
vielleicht ihre Kinder. Alle miteinander starrten auf Paithan, in der
Erwartung, daß er ihnen sagte, was sie tun sollten, doch er
wich ihren Blicken
aus.
»Los doch! Lauft!« schrie Roland in der
Menschensprache und winkte den Sklaven.
Einer weiteren Ermunterung bedurfte es nicht.
Die Männer rissen die Kinder an sich, die Frauen
schürzten die hinderlichen
Röcke, und alle stürmten aus der Tür. Die
Elfen verstanden Rolands Worte nicht,
aber der Ausdruck seines Gesichts verriet ihnen genug. Sie packten die
weinende
Köchin und liefen mit ihr im Schlepptau den kleinen
Hügel hinauf, wo das Schiff
lag, von dem sie sich Rettung erhofften.
Menschensklaven. Die Köchin und ihre Familie. Wir
selbst. Die Besten und die Klügsten.
»Paithan?« fragte Roland drängend.
Der Elf drehte sich zu seiner Schwester herum.
»Thea?«
Aleatha wurde noch blasser, die Hand, mit der
sie ihr Haar ordnete, zitterte leicht. Sie grub die Zähne in
die Unterlippe, und
als sie glaubte, sich einigermaßen in der Gewalt zu haben,
sagte sie: »Ich
bleibe bei Callie.«
»Wenn du bleibst, bleibe ich auch.«
»Paithan!«
»Laß ihn doch, Rega! Er will unbedingt
Selbstmord begehen, das ist sein …«
»Es sind meine Schwestern! Ich kann sie nicht im
Stich lassen!«
»Wenn er bleibt, Roland, dann komme ich auch
nicht mit«, sagte Rega.
»Du willst also hierbleiben und sterben. Und
weshalb?«
Lenthan Quindiniars Stimme schnitt scharf und
befehlend das Wort ab. Die Augen des ältlichen Mannes hatten
den
verschwommenen, desinteressierten Ausdruck verloren. Für einen
kurzen Moment
übernahmen die kühnen Forscher, Entdecker und
Abenteurer, die ihr Leben
riskiert hatten, um ihrem Volk neue Hoffnung zu bringen, den
Körper ihres
zaghaften, kraftlosen Nachfahren.
»Ich begreife den Wunsch meiner ältesten
Tochter, dieses Haus nicht zu verlassen«, sagte Lenthan
traurig, aber gefaßt
und bestimmt. »Calandras Leben ist untrennbar mit dem Haus
und der Firma
verbunden. Wenn man ihr das nimmt, bedeutet es für sie das
Ende, ob hier oder
anderswo. Aber du, Paithan, und du, Aleatha – ihr steht noch
am Anfang. Ihr
habt die Chance zu wachsen, ihr seid der Zukunft verpflichtet.
Eure Mutter hat um ihr Leben gekämpft! Sie
wehrte sich gegen die Krankheit, die ihre Kräfte
aufzehrte.« Lenthans Augen
füllten sich mit Tränen, aber seine Stimme blieb
fest. »Ihre letzten Worte an
mich waren: ›Es ist schwer! Es ist so schwer, alles aufgeben
zu müssen!‹ Was
soll ich ihr sagen, wenn ich sie wiedersehe? Muß sie
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