Elfenstern
auf.
Das Gesicht des Elfen war ernst und besorgt,
Regas Lächeln verschwand. Schweigend gingen sie weiter, den
Blick auf die
Wasseroberfläche geheftet. Der Teich war nicht besonders tief,
an keiner Stelle
reichte er höher als bis zu den Knien. Am
gegenüberliegenden Ufer angekommen,
stieg Roland an Land und stellte Aleatha auf die
Füße.
Er war bereits ein paar Schritte gegangen, als
er eine schüchterne Berührung am Arm fühlte.
»Vielen Dank«, sagte Aleatha.
Die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen.
Der Grund war nicht die fremde Sprache, es fiel ihr schwer, zu diesem
Mann zu
reden, der so angenehme und so widerstreitende Empfindungen in ihr
weckte. Ihr
Blick fiel auf seine schön geschwungenen Lippen; sie dachte an
seinen Kuß und
die Glut, die durch ihren Körper gerast war. Sie
hätte gerne gewußt, ob es beim
zweiten Mal auch so sein würde. Er stand ganz dicht vor ihr.
Sie brauchte nur
einen halben Schritt …
Dann hörte sie plötzlich wieder seine Worte: Ich
hoffe, du verfaulst hier unten … Stures Luder …
Dummes Stück … Er haßte und
verachtete sie. Sein Kuß war eine Beleidigung gewesen, reiner
Hohn.
Roland schaute in das ihm zugewandte Gesicht,
las die Ablehnung in den starren Zügen. Sein eigenes Verlangen
wurde zu Eis.
»Nicht der Rede wert. Was sind wir Menschen denn schon
anderes als eure
Sklaven.«
Er wandte ihr den Rücken zu und stapfte weiter.
Aleatha folgte ihm. Hinter ihr gingen Paithan und Rega, jeder
für sich. Alle
vier waren unglücklich. Alle vier fühlten sich
enttäuscht. Alle vier dachten
vorwurfsvoll und ärgerlich, wenn nur der andere irgend
etwas sagen
würde, wäre alles in Ordnung. Alle vier hatten jedoch
beschlossen, daß es nicht
an ihm oder ihr war, das erste Wort zu sprechen.
Das Schweigen zwischen ihnen wuchs, bis es zu
einem lebenden Wesen wurde, das neben ihnen herging. Die Macht dieses
Schweigens war so groß, daß Paithan, als er hinter
ihnen ein Geräusch zu hören
glaubte – wie von schweren Stiefeln, die durch Wasser wateten
–, sich nicht überwinden
konnte, es den anderen zu sagen.
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Kapitel 33
Irgendwo,
Pryan
Haplo und der Hund folgten dem Pfad. Der Patryn
beobachtete wachsam die Stadtmauer, aber dort regte sich nichts. Er
lauschte
und hörte nichts als das klagende Flüstern des Windes
zwischen den Steinen. Sie
waren allein auf der sonnendurchglühten Bergflanke.
Der Pfad führte geradewegs zu einem großen
Tor
aus Metall, in der Form eines Hexagons und mit Runen beschriftet.
Mauern aus
glattem, weißem Marmor ragten lotrecht vor ihm auf und
schienen bis in den
Himmel zu streben. Auch wenn zehn Männer seiner Statur einer
auf die Schultern
des anderen gestiegen wären, hätte der oberste nicht
über die Mauerkrone
blicken können. Der Patryn legte die flachen Hände
auf den Stein. Der Marmor
war zu spiegelnder Glätte poliert; eine Spinne hätte
Mühe gehabt, daran
hinaufzukriechen. Das Stadttor war verschlossen und durch Zauberkraft
versiegelt. Die Runen auf Haplos Körper brannten und juckten
unter dem Einfluß
der fremden Magie. Die Sartan hatten nichts dem Zufall
überlassen. Niemand
hätte die Stadt betreten können, ohne ihr Wissen und
ihre Erlaubnis.
»Wache!« rief Haplo, legte den Kopf in den
Nacken und schaute zur Mauerkrone hinauf.
Nur seine eigenen Worte hallten zu ihm zurück.
Der Hund, verstört von dem veränderten Klang der
Stimme seines Herrn, reckte
die Schnauze zum Himmel und heulte. Der langgezogene Laut wurde von den
Mauern
zurückgeworfen und wirkte sogar auf Haplo bedrückend,
der dem Hund Ruhe
gebietend die Hand auf den Kopf legte. Als die Echos erstorben waren,
horchte
er, doch alles blieb still.
Es konnte jetzt kaum noch einen Zweifel geben.
Die Stadt war verlassen.
Haplo dachte an eine Welt, wo immer die Sonne
schien, und wie diese Welt auf Neuankömmlinge wirken mochte,
die an einen regelmäßigen
Wechsel von Tag und Nacht gewöhnt waren. Er dachte an die
Elfen und Menschen,
die im Geäst der Bäume hausten wie Vögel;
und an die Zwerge, die sich in den
Moosboden wühlten, getrieben von der vagen Erinnerung an ihre
frühere,
unterirdische Heimat und in dem verzweifelten Bestreben, sie neu zu
erschaffen.
Er dachte an die Tytanen und ihre verderbenbringende, trostlose Suche.
Er betrachtete wieder die glatten, schimmernden
Mauern und strich mit den Fingern darüber. Der Stein
fühlte sich merkwürdig kühl
an,
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