Elfentausch
Wichtel dabei ums Leben gekommen ist, habt ihr aufgegeben. Ihr wart so traurig und fassungslos, dass ihr alle sofort wieder nach Hause wolltet. Und ihr habt darum gebeten, dass sich gar niemand mehr an diese Geschichte erinnern kann, weil es so furchtbar war. Wenn ich nicht so in Eile gewesen wäre, hätte ich sicher besser nachgedacht, und euch den Wunsch nicht erfüllt. Schließlich darf man seine Erfahrungen nicht verdrängen und auslöschen. Man lernt doch daraus. Deshalb ist es auch sehr wichtig, sich an solche Erfahrungen immer zu erinnern. Ich hätte euch den Wunsch nicht erfüllen dürfen. Nein. Nein.«
Die Freunde blickten auf die kleine, alte Frau mit den langen schwarzen Haaren. Sie war nicht viel größer als Evelin und blickte mit strengen grünen Augen, die irgendwie künstlich wirkten auf die kleine traurige Gruppe vor ihr. »Was wollt ihr denn dieses Mal von mir?«, fragte sie dann.
Tamara räusperte sich. »Ich würde gerne ein Mensch werden und Evelin gerne eine Elfe. Und Rüdiger möchte dich bitten, dass er sich nicht mehr übergeben muss, wenn er Überschallgeschwindigkeit fliegt.«
»So, so«, sagte die Hexe nachdenklich. Sie konnte natürlich nicht nur zaubern, sondern auch in die Zukunft blicken. Und sie wusste ganz genau, was die Freunde von ihr wollten. Und sie würde ihnen auch auf ihre Art und Weise helfen. Wenn sie sich als würdig erwiesen. »Nun gut«, sagte sie nach zwei weiteren Schaukelbewegungen. »Ich gewähre euch allen nur einen Wunsch. Entscheidet euch, was ihr möchtet. Wollt ihr dasselbe wie beim letzten Mal?«
Betretenes Schweigen trat ein. »Warum haben wir wohl beim letzten Mal unsere Wünsche aufgegeben?«, fragte Evelin. »Einer von uns hätte sich doch wenigstens seinen Wunsch erfüllen können?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Rüdiger. »Aber vielleicht lag es an etwas, das uns damals passiert ist und an das wir uns nicht erinnern können. Damals war es vielleicht die richtige Entscheidung. Aber wenn wir nichts mehr davon wissen, brauchen wir darüber gar nicht nachzudenken. Wir sind noch mal hier und haben eine zweite Chance, es richtig zu machen. Also, was sollen wir tun?«
Schließlich meldete sich Tamara zu Wort: »Ich verstehe, dass wir beim letzten Mal sicher Angst bekommen haben, weil wir Börti verloren haben. Deshalb wollten wir nicht weitermachen und haben uns nach Hause gewünscht. Wenn wir noch mal darüber nachdenken, dann fällt uns vielleicht etwas Besseres ein. Wir haben immerhin einen Wunsch frei. Und wie wir schon von Dieter wissen, kann das auch ein ganz langer Wunsch sein. Er hat sich immerhin genau genommen drei Dinge gewünscht – er wollte schnell erwachsen sein, eine eigene Höhle haben und für immer darin wohnen. Lasst uns auch einen Wunsch formulieren, der so lange ist!«
»Ja«, meinte Evelin schniefend und wischte sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht.
»Also, ich würde euch zuliebe auch auf meinen Wunsch verzichten«, sagte Rüdiger da laut. »Wenn ich nicht so schnell fliege, muss ich mich ja nicht übergeben und dann brauche ich auch keinen Wunsch. Wünscht ihr euch etwas.«
Ganz beschämt blickten sich Tamara und Evelin an. Darauf hätten sie ja auch kommen können. »Ich glaube«, sagte Evelin, »dass du dir schon viel länger wünscht, ein Mensch zu sein, als ich gerne eine Elfe wäre. Deshalb überlasse ich dir den Wunsch.«
»Du bist so lieb und großzügig«, antwortete Tamara mit Tränen in den Augen. »Aber ich würde immer ein schlechtes Gewissen haben, deshalb möchte ich, dass du den Wunsch nimmst und dir wünschst, eine Elfe zu sein.« Jetzt war Evelin gerührt und um nicht erneut weinen zu müssen, wendete sie den Blick nach unten und er fiel genau auf Börti.
»Jetzt weiß ich, was wir uns wünschen sollten«, sagte sie da. »Börti wollte überhaupt nicht zur Hexe. Er wollte gar nichts für sich. Er hat uns nur begleitet, weil er unser Freund war und dafür ist er jetzt gestorben. Wie wäre es, wenn wir uns wünschen würden, dass Börti weiterlebt?«
Die Hexe nickte zufrieden. Ja, die Kleinen hatten etwas dazugelernt seit dem letzten Mal. Auch wenn sie davon natürlich nichts wussten. Aber sie hatten dieses Mal besser nachgedacht! Rüdiger und Tamara blickten einander an.
»Ja, du hast recht«, meinte Tamara. »Wir sollten uns etwas für Börti wünschen. Das ist viel wichtiger. Was sind schon unsere Wünsche gegen das Leben eines Freundes.« Beide wandten sich wieder der Hexe zu, die das Gespräch vom
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