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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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verflochten.
    »Bringt die Elfen hierher«, kommandierte Skanga die Ruderer. »Und schafft die Kiste heran.«
    Brud und seine Kundschafter setzten keinen Fuß in die Höhle. Wussten sie es besser?, fragte sich Orgrim. Neugierig sah er sich um. Er spürte ein seltsames Prickeln auf der Haut wie kurz vor einem Sommergewitter. Ein unangenehm metallischer Geruch lag in der Luft. Und der Duft von Salz, Tang und Meer.
    »Ich will Maruk hier haben!« Die Schamanin hatte die Holztruhe geöffnet und einen Kreidestein herausgeholt. Sie begann damit, um die beiden Elfen einen großen Kreis auf den Boden zu ziehen. Shahondin und Vahelmin wanden sich vergeblich in ihren Fesseln. In ihren Augen stand die nackte Angst. Wussten sie, was Skanga plante?
    »Mach dich nützlich, Welpe!« Skanga drückte ihm den Kreidestein in die Hand. »Zieh die Linie noch einmal nach. Sie muss nicht hübsch und auch nicht regelmäßig sein. Sie darf nur keine Lücke haben. Also streng dich an!«
    Orgrim gehorchte, und er hielt sich an ihren Befehl, keine Fragen zu stellen. Sorgfältig zog er den Kreidestrich nach, während Skanga mit einem Blutstein einen zweiten, kleineren Kreis zeichnete. Dann holte sie aus der Truhe Schmuck und Kleider aus hauchzartem Stoff. Den Sachen haftete ein Brandgeruch an, der den Duft des Meeres aus der Höhle vertrieb.
    »Du dachtest, du könntest dich über Branbart lustig machen, nicht wahr?« Erschrocken blickte Orgrim auf. Doch Skanga meinte nicht ihn. Sie sprach mit dem geknebelten Elfenfürsten. »Du denkst, wir Trolle sind dumm. Und es war dein Plan, uns zu hintergehen. Dir würde es niemals einfallen, uns deine Hilfe anzubieten, wenn du nicht ganz sicher wärst, du könntest uns hereinlegen. Doch ich habe dich durchschaut, Shahondin. Dir ging es nicht allein darum, Emerelle zu töten, wie du uns erzählt hast. Du wolltest ihre Krone. Und selbst jetzt hast du diesen Traum noch nicht aufgegeben.« Der Elf setzte sich halb auf. Erstickte Geräusche drangen durch seinen Knebel.
    »Nein. Ich habe heute Morgen genug von dir gehört. Doch weißt du was? Du wirst Branbart und mir ein treuer und aufopfernder Diener sein. Du wirst uns hassen. Mehr noch als Eme-relle. Und trotzdem wirst du alles geben, um mir meinen Wunsch zu erfüllen.« Die Alte kicherte. »Verlässt dich dein Mut? Glaub mir, du kannst dir in deinen wildesten Albträumen nicht ausmalen, was ich mit dir und deinem Sohn vorhabe. Ihr werdet Emerelle für mich finden. Ich werde euch zu vollkommenen Jägern machen.«
    Skanga beugte sich vor und schnupperte an Shahondins Haar. Dabei machte sie ein enttäuschtes Gesicht. »Nicht einmal jetzt riechst du nach Angst, Elflein. Gar kein Geruch haftet euch an, es sei denn, ihr schmückt euch mit ihm. Ich hatte das schon befürchtet. Dabei mögen sie starke Gerüche. Sie werden davon angezogen, wie der Geruch des Blutes die Haie von weither in den Hafen von Vahan Calyd lockt.« Sie wandte sich um. »Ah, Manuk. Da bist du ja.« Sie winkte den Bootsführer zu sich, der etwas unschlüssig an der Mündung des Tunnels stand. »Komm hierher und stell dich kurz zu den beiden Elflein. Achte darauf, dass sie nicht zu sehr herumrutschen und den Rand des Kreidekreises verwischen.«
    Die Schamanin begutachtete Orgrims Arbeit und nickte zufrieden. »Sehr gut, Welpe. Hol nun die Kerzen, die du in der Kiste findest, und stell sie hier nach deinem Gutdünken auf. Kerzen sind immer gut, wenn man mit der Finsternis zu tun hat, nicht wahr?«
    »Ja, gewiss«, antwortete Orgrim zögerlich. Er fragte sich, ob Skanga verrückt geworden war.
    Die Schamanin zog eine kleine, lederne Flasche aus einer der Falten ihres Flickengewandes. Mit einem Zug trank sie die Flasche leer; dabei blähte sie die Backen. Sodann pustete sie durch ihre zusammengepressten Lippen einen Nebel dunkelbraunen Saftes über die beiden Gefangenen. Wieder lachte sie. »So ist es besser, meine Hübschen. Lebertran und Robbenblut. Nun riecht ihr nach etwas, Elflein. Ich muss nur noch Sorge dafür tragen, wie ich euch später auseinander halte.«
    Orgrim holte die Kerzen aus der Truhe, doch er fand nichts, um sie anzuzünden. Brud und die Seeleute mit den Fackeln hatten sich zurückgezogen. »Skanga?«
    Die Schamanin brachte ihn mit einer ärgerlichen Geste zum Schweigen. »Stell sie einfach hin. Um den Rest kümmere ich mich später. Störe eine alte Frau nicht, wenn sie noch einmal Freude an ihrem Leben hat.« Sie strich mit ihren krummen Fingern über Shahondins Gesicht.

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