Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
nur so rollten. Am Ende schlug er die ganze Schar in die Flucht, rettete die hohe Dame und sank tödlich getroffen an der Sänfte zu Boden.
Das sah der heiligste der Pfauen, trat aus dem Schatten des Hains, in dem er geruht hatte, und fragte den Sterbenden:
Warum hast du diese Männer gemordet und dein Blut für das der Ismy Saba Trakur gegeben?
Und Katsumi Gandani antwortete mit letzter Kraft:
Weil ich darin mein Schicksal erkannt habe
.
Beeindruckt von so viel Einsicht eines Kriegers, zupfte sich der weiße Pfau eine einzelne kleine Feder aus dem vollen Kleid und legte sie ihm auf die Brust. Der Soldat lächelte, als er dieses Geschenk des weißen Pfaues durch blutunterlaufene Augen betrachtete. Und im gleichen Moment heilten seine Wunden.
Tief berührt von dem Geschehen, nahm die hohe Dame Ismy Saba Trakur den Katsumi Gandani zum Mann und baute dem weißen Pfau eine prächtige Heimstatt unter dem Palast, auf dass er ihr und dem Volk von nun an Glück und Weisheit bringen sollte.
Das ist die Geschichte der Familie von Rabin Dranath Takur, einem Urenkel jener ehrenwerten Frau.«
In Indiras Augen blitzten Tränen der Freude und Rührung auf, als Nadja sie sanft auf dem Boden absetzte und ihr die Feder vor den Schnabel hielt.
»Erst müsst Ihr dem Handel zustimmen, den ich Euch vorgeschlagen habe, edle Indira«, sagte Nadja, fest entschlossen, diesmal keinen Fehler zu machen.
»So soll es sein«, piepste der Reisfink.
Von einem Augenblick zum nächsten senkte sich erneut dichter Nebel über das Land. Graue Dunkelheit schloss Nadja ein und machte sie blind und taub. Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie, dass die Feder aus ihrer Hand verschwunden war, genauso wie Indira. Schon kamen ihr Zweifel, ob ihre Gegnerin Wort halten würde, da verschwand das Grau genauso rasch, wie es gekommen war. Nadja stand immer noch auf dem schmalen Damm, um sie herum die gleiche Landschaft, hinter ihr die kleine Hütte des Alten und die zwei Ziegen, die am Gatter dösten.
An jener Stelle, an der sie Indira im Reisfeld gefangen hatte, war jedoch eine einfache Tür aufgetaucht, die scheinbar ins Nirgendwo führte.
Nadja betrachtete die Pforte mit einer Mischung aus Erleichterung und Furcht. Endlich hatte sie es geschafft. Aber wie viel Zeit mochte seit ihrem Verschwinden in der Menschenwelt vergangen sein? Tage? Wochen? Monate? Die Anderswelt lebte nach einem eigenen Rhythmus, nach anderen Gesetzen. Wenn sie dieses Portal durchschritt, konnte sie genauso gut wieder im Schlachtgetümmel stehen, als wäre sie nie fort gewesen. Oder aber – und das schien ihr angesichts des nunmehr deutlich angewachsenen Babybauches und Talamhs Worten wahrscheinlicher – sie hatte in den wenigen Tagen, die sie hier an diesem seltsamen Ort verbracht hatte, einen gehörigen Zeitsprung nach vorne gemacht.
Ihr Sohn schien zusehends unruhiger zu werden. Es war, als würde er ungeduldig darauf warten, dass sie etwas tat oder sich die äußeren Bedingungen nach seinem Willen änderten. Nur was oder wie, das wusste Nadja nicht.
Endlich nach Hause finden, zusammen mit David und den anderen sein, die Füße hochlegen und den Rest auf mich zukommen lassen – das wünsche ich mir
, dachte Nadja. Bedächtig schritt sie durch das Wasser und legte ihre Hand auf den hölzernen Knauf.
Bitte, bitte, ihr Götter, bringt mich zurück nach München!
Mit einem festen Bild ihrer Wohnung vor Augen, öffnete sie langsam die Tür und machte einen beherzten Schritt vorwärts auf die andere Seite.
Sofort drehte sie sich wieder um. Doch das Portal war bereits verschwunden. Das Einzige, was ihr zu dem einfiel, was sie nun vor sich sah, war ein lautes und vernehmliches »Scheiße, verdammt!«
25 Die Hölle auf Erden
Tanner stieg vorsichtig über den Müll, der sich in dem verfallenen Haus neben dem Martinsdom angesammelt hatte. Vor ihm her ging Jarosh, neben ihm die Gräfin. Sie hatte sich nach einem ausgiebigen Brunch am Vormittag seine mitgebrachten Kleider angesehen und sich nach ersten empörten Ausrufen über den dünnen Stoff und die schlichte Verarbeitung schließlich für das Sommerkleid und die passenden Pumps entschieden. Ihre Frisur trug sie dagegen noch in alter Hochsteckform und hatte gefordert, ihr schnellstmöglich ein paar junge Dienerinnen zu besorgen, die ihr beim Lockendrehen zur Hand gehen sollten. Erstaunlicherweise hatte sich Darby daraufhin freiwillig gemeldet und war sofort an die Arbeit gegangen.
Mittlerweile zeigte die Uhr nach fünf. Jarosh
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