Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
die kleine Holzleiter, die nach unten führte. Stufe für Stufe ging es tiefer. Der Schweiß brach ihm aus, und er rutschte mehr als einmal auf den abgetretenen Trittflächen ab, bis er nach gefühlten zwei Stockwerken endlich unten ankam.
Der Gang, in dem er sich befand, war rundum mit rußgeschwärzten Bohlen verkleidet. Alle paar Meter steckten weitere Fackeln in einfachen gusseisernen Halterungen und wiesen den Weg Richtung Dom. Abermals war die Decke gerade so hoch, dass man aufrecht gehen konnte.
»Weiter, weiter«, raunte der Ghul.
Tanner musste sich zu jedem Schritt zwingen. Unter Aufbietung all seiner Selbstbeherrschung ging er voran, während er vor Anspannung seine zu Fäusten geballten Hände gegen die Oberschenkel presste. Nach etwa fünfzig Metern machte der Gang einen Knick und mündete in einem Gewölbe. Es handelte sich um eine geräumige Halle mit grob behauener Steindecke, einem massiven Granitblock in der Mitte und mehreren offenen Nischen an den Seiten, in denen gut ein Dutzend Mädchen zwischen sechzehn und vierundzwanzig standen und vor Angst schlotterten. Ihre Hände und Füße waren mit schweren Eisenketten gefesselt, die in den Wänden verankert waren.
»Ich dachte schon, ihr kommt nicht und lasst mich ganz allein mit den Süßen«, scherzte Darby und tätschelte einer blonden Schönheit im Vorbeigehen das Kinn.
»Haben Sie einen Schulbus überfallen?«, fragte Tanner mit vor Überraschung geweiteten Augen.
»Mein ganz spezieller Charme hat gereicht«, antwortete der Elf so fröhlich wie selten zuvor. »Und ich hoffe, ich habe dabei Euren Geschmack getroffen, Gräfin.« Mit einer übertriebenen Handbewegung lud er Elisabeth Báthory ein, sich ihre Opfer aus der Nähe zu betrachten.
Die Gräfin nickte anerkennend. »Du bist offenbar zu mehr nütze, als ich dachte. Dein Talent könnte dir einen Platz in meinem engsten Gefolge sichern, wenn du dich zu benehmen lernst.«
Immer noch schien sie das wahre Spiel nicht zu durchschauen und fühlte sich in der Machtposition, wohingegen sie doch nur ein kleines Steinchen auf einem großen Schachbrett war. Tanner amüsierte sich über so viel Naivität und entspannte sich ein wenig. In diesem Raum fand er genug Luft zum Atmen, genug Platz, um die Angst unterhalb der Panikschwelle zu halten. Trotzdem trieb ihm sein Puls den Schweiß aus den Poren.
Darby hielt sich mit weiteren Kommentaren zurück – wahrscheinlich, um seinen Vorteil nicht gleich zu verschenken – und schritt die Reihe der weiblichen Opfer ab wie ein General, der seine Truppen inspizierte. Dabei betatschte er sie ohne Hemmungen. Aus den Kehlen der Gefangenen stieg eine Welle des Jammers, kläglich und leise. Sie waren viel zu verängstigt, um Gegenwehr zu leisten.
»Na, wie wär’s, Mister Amerika?«, frotzelte der Elf. »Auch mal zupacken? So eine Gelegenheit kriegen Sie wahrscheinlich nicht so schnell wieder.«
Tanner hörte kaum hin, konzentrierte sich lieber auf die Gräfin. Sie ignorierte Darby schlicht und ging auf eine der jungen Frauen zu. Fasziniert betrachtete sie deren schwarz gefärbte Topffrisur.
»Ist das jetzt Mode?«, fragte Elisabeth und fuhr durch das Haar.
Als das Mädchen nicht sofort antwortete, packte sie zu und riss ihren Kopf nach hinten, bis der Kehlkopf der Gefangenen wehrlos vor ihr lag. Wollüstig leckte Elisabeth ihr über den sonnengebräunten Hals.
Es war völlig unklar, wie oft sie als Vampir Blut trinken musste, um zu überleben. Was die Gräfin genau tun musste, um eine potenzielle Mahlzeit in eine neue Untote zu verwandeln, wussten sie ebenfalls noch nicht. Tanner hoffte, dass Elisabeth es instinktiv erkennen würde. Aber die Gräfin schien zu glauben, das gesamte Dutzend Mädchen diene allein ihrem Vergnügen. Und da der Elf keine Anstalten machte, diesen Punkt klarzustellen, entschloss sich Tanner, dass es Zeit war, ihr den Plan zu offenbaren.
Robert und Anne achteten darauf, in die vorhandenen Fußstapfen zu treten, während sie Tanner, Jarosh und der Gräfin durch das verlassene Gebäude folgten. Die Spur gab ihnen die Möglichkeit, den Weg zu finden. An der Kellertreppe warteten sie ab und lauschten, um sicherzugehen, dass die drei Personen nicht wiederkamen. Schritt für Schritt stiegen sie die Stufen hinab, immer bereit für den Rückzug. Ein Aufschrei der Gräfin hallte durch den Gang. Fast zeitgleich stürmten zwei Ratten aus einem der hinteren Zimmer, die rechts und links abgingen.
»Offenbar hat Elisabeth nichts für
Weitere Kostenlose Bücher