Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
skeptisch, wenngleich nicht völlig ablehnend. »Als ich deine Muse wurde, bin ich auch andere Verpflichtungen eingegangen«, sagte sie. »Selbst wenn ich wollte, könnte ich dich nicht einfach töten.«
»Aber ich sterbe so oder so, wenn du meinem Plan nicht folgst«, legte Robert sein letztes Pfund in die Waagschale. »Sieh es ein. Es ist die einzige Chance, aus dieser Klemme halbwegs ungeschoren herauszukommen. Ich will kein bloßes Opfer sein oder weiter darauf warten, dass meine Zeit abläuft. So kontrolliere ich das Ende selbst und gebe meinem Tod einen Sinn!«
»Er hat recht.«
Anne blickte zu Lorec. »Du bist zu romantisch.«
»Und du hast zu lange bei den Menschen gelebt. Robert bedeutet dir mehr, als du dir eingestehen willst. Irgendwann kommt die Zeit für Elfen, da sie in Einsamkeit versteinern oder ihr Leben teilen.«
»Aber – er ist ein Mensch!«
»Der dich liebt, Annika. Der
für dich
wie du werden will, nicht für seine Kunst. Er ist der Richtige.«
»Er ist auf die Unsterblichkeit nicht vorbereitet«, protestierte sie. Doch ihre Gegenwehr schien zu erlahmen.
»Das war ich auch nicht«, hielt der Wolfsmann dagegen. »Und trotzdem bin ich nicht verrückt geworden. Oder zumindest nicht dauerhaft.« Er hechelte heiser und zog die Lefzen nach oben, als würde er lachen.
Anne warf Robert einen langen ernsten Blick zu und schüttelte sacht den Kopf, als könnte sie seine Motive noch immer nicht verstehen. Dann nickte sie langsam. »Wahrscheinlich ist es der einzige Weg, um nicht nur dich, sondern auch mich vor der Verdammnis zu retten. Doch … es wird zu Anfang wehtun. Sehr, sehr weh.«
Er nickte ebenso ernst. Im Moment, in dem ihm die Idee zugeflogen war, hatte er sich entschieden gehabt, und dieser Entschluss stand unverrückbar fest. Er hatte alles Nötige erklärt.
Anne kam auf ihn zu und drückte sich dicht an ihn. Unglaublich zärtlich strich sie ihm die Locken nach hinten und legte seinen Hals frei. Er spürte sein Herz bis hinauf in die Schläfen pochen und Adrenalin in seine Adern pumpen. Schauer der Erwartung liefen ihm den Rücken hinab und wieder hinauf bis in die Haarspitzen.
»Bist du bereit?«, flüsterte sie. Robert glaubte ihren Körper beben zu spüren und Bewunderung in ihrem Blick zu lesen. Vielleicht sogar wahre Zuneigung.
»Es kann losgehen«, antwortete er mit belegter Stimme.
Sie lächelte. Wie einst am Strand auf der Isle of Man erglühte ihre Aura in einem unwirklich weißen Licht. In ihren Augen züngelten kleine violette Flammen, als Anne in ihrer ganz eigenen Klangsprache ihre Kräfte erweckte. Energiewellen trieben Robert entgegen und betäubten seine Sinne. Die Umgebung schwand. Da war nur mehr diese unwirkliche Schönheit, diese allmächtige Muse. Sinnlichkeit, Verzückung, unendliche Erfüllung – dies waren die Worte, mit denen sein benebelter Geist das Erlebte zu beschreiben versuchte.
Ihre Lippen berührten die seinen. Ganz zart. Dann wanderten sie weiter, streiften seine Wange, glitten hinab zu seinem Hals. Er spürte, wie Anne erst seine Haut ansaugte und dann blitzschnell zubiss. Ein stechender Schmerz raste seine Nervenstränge entlang und zwang ihm einen Schrei aus der Kehle. Dennoch wollte er, dass sie weitermachte. Dass sie ihn mit ihrem Kuss aussaugte, bis kein Tropfen mehr übrig war.
Als sie zu trinken begann, schien sich sein Blut in Lava zu verwandeln. Jedes bisschen Muskel und Fleisch in seinem Körper brannte unter diesem Sog. Doch es war ein Brennen der Leidenschaft. Auf den Schmerz folgte eine nie gekannte Ekstase. Seine Hände klammerten sich an ihre Hüfte, während eine Woge der Lust sein Bewusstsein umspülte. Nur mehr vage nahm er wahr, dass er zusammensackte und von Anne aufgefangen wurde. Dann fühlte er den Tod kommen.
Blitzlichter seines Lebens tauchten vor seinem geistigen Auge auf. Erlebnisse aus seiner Jugendzeit, als seine Seele noch unverletzt gewesen war, unberührt von den Gräueln dieser Welt. Dann ein Sprung. Vor ihm war seine Frau Lisa mit ihrem unverwechselbaren Lächeln; unglaubliche Lebensfreude tanzte in ihren Augen. Die alte Liebe quoll aus den Ritzen seiner Erinnerung und ließ ihn aufschluchzen, als er sich bei seinem Heiratsantrag vor ihr knien sah. Und wieder wechselte das Bild. Im nächsten Moment hielt er Sandra in den Armen, seine süße Tochter. So klein und zart, so hilflos und verletzlich. Noch am Krankenhausbett hatte er geschworen, sie zu beschützen. Dann kam der Knall. Die Explosion. Dunkelheit.
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