Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
menschlicher. Manche suchten Pülverchen, manche Kräuter, Steine – alles, was Mann oder Frau sich vorstellen konnte, war bei angemessener Bezahlung handelbar.
Die meisten seiner Klienten gierten nicht nur nach diesen Schätzen, um sie in einen Tresor zu sperren oder hinter Glas zu bewundern. Sie wollten sie benutzen und ihrem ursprünglichen Zweck zuführen. Sie wollten damit Zauber wirken! Wer diese alten Künste ernsthaft praktizierte, die richtigen Bücher las und interpretieren konnte, brauchte Zutaten, die man nicht einfach in der nächsten Apotheke oder auf einer Esoterikmesse kaufen konnte. Das wusste Tanner aus eigener Erfahrung. Es hatte ihn viele Jahre gekostet, ein weltumspannendes Netzwerk aufzubauen und Wege zu erschließen, um die meist heiklen Waren unbehelligt von Zoll und Polizei über Landesgrenzen zu transportieren.
Das zusammenwachsende Europa hatte dabei Vor- und Nachteile. Die Grenzen wurden offener, Verbindungen per Flugzeug, Bahn oder Auto besser und einfacher. Doch die Nationen tauschten sich auch in ihrer Überwachungstechnik aus. Es gab Scan- und Durchleuchtungsmethoden. Auf Informationen konnte plötzlich globalisiert zugegriffen werden. Wurde man in einem Land gesucht, kannten vierundzwanzig Stunden später auch die anderen Behörden jedes Detail über den Betreffenden, vom Fingerabdruck angefangen über die Sozialversicherungsnummer bis hin zur Farbe der Schamhaare.
Zwar ging es mit der Slowakei seit der Demokratisierung wirtschaftlich steil bergauf, doch die wichtigen Ämter und Schaltstellen waren immer noch von Korruption durchdrungen. Für jemanden mit Geld war es ein Leichtes, Gesetze und Vorschriften zu umgehen, denn das Gehaltsniveau lag in dieser Gegend nach wie vor bei unter einem Drittel im Vergleich zu den USA oder Mitteleuropa.
Und die Annäherung an den Westen hatte Begierden in den Menschen geweckt. Sie wollten das, was ihre Stars im Fernsehen hatten, wollten eigene Häuser, ein großes Auto, Urlaub in der Karibik und all den Konsumkram, den die Kleider-, Schmuck- und Elektronikbranche ihnen mittels Werbekampagnen schmackhaft machte.
André bildete da keine Ausnahme. Während sie auf das Essen warteten, sprachen sie über eine Speziallieferung einbalsamierter Organe aus Jordanien. Dabei wedelte der Slowake ununterbrochen mit seinem Touch-screen-Handy herum, schob die Armani-Sonnenbrille zurecht und streckte seine Füße, die in glänzenden Lederschuhen steckten, so demonstrativ unter dem Tisch hervor, dass die Kellnerin mehrfach darüber stolperte.
»Verrätst du mir jetzt, wozu du diese ganze Laborausrüstung brauchst, um die du telefonisch gebeten hast?«, fragte André schließlich.
»Ganz bestimmt nicht«, antwortete Tanner gelassen. »Aber da gibt es etwas, das du für mich organisieren musst.«
Die Kiefermuskeln des Möchtegernmafiosos spannten sich an. »Was noch?«
»Es ist etwas Privates.«
»Suchst du ’ne Nutte? Das ist kein Problem. Mirko, dein Fahrer, bringt dich in einen der sauberen Läden. Wenn du sie lieber aufs Zimmer willst, serviert er sie dir auch dort aufm Tablett.« André lachte dreckig.
Doch Tanner blieb ernst. »Frauen suche ich mir selbst aus.«
Der Slowake nickte, als würde er verstehen, beugte sich vor und fragte im Flüsterton: »Was brauchste dann? Drogen? Eine Waffe?«
»Ich brauche ungestörten Zugang zur Burg hier in Bratislava.«
»Zur Burg?« Andrés Augen verengten sich. »Warum? Willste was aus dem Museum stehlen? Das ist ’ne heikle Sache. Da gibt es Videokameras, Wachleute und Alarmanlagen, besonders bei den wertvolleren Stücken.«
»Es reicht, wenn du mir einen Weg in die ehemaligen Wohnräume im Ostflügel frei machst«, sagte Tanner so unverbindlich wie möglich. Schließlich musste nicht jeder wissen, dass er dort nach Elisabeth Báthorys Leiche suchen wollte.
Laut Jarosh hatte ein satanischer Geheimbund rund um Stephan Báthory – den Onkel der Gräfin – sie in ein geheimes Zimmer am damaligen Hof des Habsburger Herrscherhauses bringen lassen. Dort sei ihre Seele durch ein Ritual im Körper konserviert worden, um sie eines Tages ins Leben zurückrufen zu können. Bevor Stephan Báthory eine Gelegenheit dazu bekommen hatte, hatte man auch ihn vor Gericht gestellt und verurteilt, genau wie die anderen Helfer und Helfershelfer der Blutgräfin. Keiner ihrer Anhänger war verschont worden. Sogar Jarosh hatte sich nur mit knapper Not und mithilfe eines Tarnzaubers aus der Gefangenschaft befreit. Auf Umwegen
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