Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
musste nicht mehr nur auf sich, sondern auch auf das neue Leben achtgeben – ganz besonders sogar. So ein kleines Wesen hatte normalerweise noch kein etabliertes Immunsystem, war noch nicht abgehärtet oder Entbehrungen gewohnt. Ja, es konnte nicht einmal verstehen, warum es nicht sofort bekam, was es wollte. Daran änderte wahrscheinlich auch das Elfenblut nichts, das in Teilen durch Talamhs Adern floss. Auf der Gefühlsebene mochte er mit Nadja kommunizieren, ihr im Geiste sogar Bilder schicken, aber er war trotz allem ein Embryo und von ihrer Versorgung abhängig.
Je länger Nadja über die Felder wanderte, umso stärker wurde der Drang, etwas zu trinken. Ihre Gedanken kreisten nur um dieses eine Verlangen, während sie zwischen den Reisplantagen entlanglief. Konnte Wasser schlecht sein, in dem Reis heranwuchs? Grassierten in der Anderswelt die gleichen Krankheitserreger wie in der menschlichen? Wie lange hielt es ein Kind ohne Flüssigkeitszufuhr aus?
Als das Licht allmählich dämmrig wurde, hielt Nadja es nicht mehr aus. Sie kniete sich an den Rand eines der Becken und beugte sich hinab, um mit der Hand Wasser zu schöpfen. Als sie den Schluck zum Mund führen wollte, sprang ein Frosch zwischen dem Gras hervor und ihr mitten in die hohle Hand.
Erschrocken wollte Nadja ihn von sich schleudern, stutzte aber. Der glitschige kleine Kerl mit seiner grünschwarz gemusterten Zeichnung hatte sie angelächelt – und ihr mit einem Auge zugezwinkert!
Ist das wieder so eine Prüfung, oder halluziniere ich bereits?
, fragte sie sich und erhielt gleich darauf eine Antwort. Mit geradezu sanfter Stimme sprach der Frosch sie an. »Warum willst du Wasser trinken, in dem der Dreck aufgewirbelt wird, wenn beim Pflügen die Büffel hindurchtrampeln?«
»Weil ich so durstig bin«, antwortete Nadja.
Der Frosch blinzelte ein paarmal verschmitzt. »Dann geh doch einfach zu dem Bauern und bitte um einen Krug Milch.«
Irritiert blickte Nadja auf. Der Frosch sprang von ihrer Hand und verschwand im Graugrün des Reisfeldes. Tatsächlich: Dort, wo sich eben noch die immer gleiche Landschaft bis zum Horizont wiederholt hatte, stand nun eine kleine Hütte mit einem umzäumten Hof. Aus dem Schornstein stieg ein dünner Rauchfaden auf. Am Gatter dösten zwei Ziegen.
Ohne nachzudenken, rannte Nadja los. Sie hielt ihren Blick starr auf die Hütte gerichtet, um sie festzuhalten. Wo sie herkam, war egal – sie durfte nicht verschwinden, bevor die junge Frau nicht angekommen war. Sollte es ruhig ein weiterer Test von Indira sein; Nadja brauchte Wasser. Ihr Sohn brauchte Wasser. Nur das zählte, und dafür würde sie alles in Kauf nehmen. Sprechende Frösche, dahergezauberte Hütten, jede Demütigung und Erniedrigung. Mit letzter Kraft rannte sie über den feuchten, mit Gras bewachsenen Damm und schließlich den zwei Hand breiten Wall hinauf, der das Hofgelände als Schutz vor dem Wasser umgab.
»Hallo? Hallo, ist jemand da?«, rief sie außer Atem und kletterte über das Gatter.
Die Ziegen flüchteten aufgeschreckt beiseite; die kleinen Glöckchen um ihre Hälse bimmelten aufgeregt. Aus dem Inneren der Hütte drang der Geruch von frischem Brot und Gebratenem.
Nadja hatte kaum ausgeholt, um an die Tür zu klopfen, da schwang diese zurück, und ein kauziger Alter erschien im Rahmen. Seine wenigen Haare waren quer über die Glatze gekämmt, und sein Gesicht mit kleinen tief liegenden Augen und schmallippigem Mund erinnerte an einen vertrockneten Lederlappen. Gebückt stand er da und betrachtete Nadja, begleitet von misstrauischem Schmatzen.
»Wer bist du und was willst du?«, fragte er mit Quäkstimme. Für einen kurzen Augenblick wunderte sich Nadja, dass sie ihn verstehen konnte. Andererseits – was in der Anderswelt hatte sie
nicht
überrascht?
Ob dieser Kerl vielleicht der Frosch von vorhin war? Nadja wischte jegliches Misstrauen beiseite und zeigte ihr lieblichstes Lächeln. »Ich heiße Nadja und bitte Euch zum Wohle meines Kindes um einen Schluck Wasser.«
»Was kannst du dafür geben?«
Nadja hob hilflos die Hände. »Ich habe nichts außer der Kleidung, die ich trage.«
Der Alte verzog den Mund und wollte bereits die Tür schließen, als Nadja ihren Fuß in den Eingang stellte. »Aber ich kann zupacken«, sagte sie verzweifelt. »Lasst mich für das Wasser arbeiten, und Ihr werdet es nicht bereuen.«
Ein Grinsen breitete sich auf dem ledrigen Gesicht des Kauzes aus und hinterließ bei Nadja den sicheren Eindruck, gerade in
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