Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin - Paradigi, J: Elfenzeit 10: Fluch der Blutgräfin
damit ihre neuerliche Gunst erkaufen? Nein, für eine solch gewaltige Aufgabe brauchte er schon eine ganze Armee aus Elisabeth Báthorys.
Halt! War es das vielleicht? Konnte dies die Absicht des Meidlings sein? Anne zuckte zusammen, als ihr die Folgen des möglichen Plans bewusst wurden. Wenn Darby O’Gill die Gräfin dazu brachte, ihre Opfer nicht einfach nur abzuschlachten, sondern in Untote zu verwandeln – so, wie es Tanner bereits auf dem Friedhof eher scherzhaft erwähnt hatte –, könnte diese wahnwitzige Idee tatsächlich funktionieren.
»Was ist, hast du etwas gesehen?«, wisperte Lorec und blickte sie an.
»Noch nicht«, flüsterte sie zurück. »Aber ich weiß jetzt, was mein Artgenosse vorhat.«
Was sie nicht wusste, war, ob ihr das nicht vielleicht sogar gefiel. Eine derartige Unterstützung würde Bandorchu ohne Frage helfen. Es war ein weiteres Quäntchen, das die Waage der Machtverhältnisse zugunsten der alten Herrscherin ausschlagen ließ. Hätte sie erst einmal das Menschenreich erobert, würden die Elfen ihren Rückzugsbereich verlieren. Fanmór würde in seinem vergilbten Baumschloss in der Falle sitzen. Der Sieg und die Rückeroberung des Throns über Earrach wären der Dunklen Königin damit so nah wie nie.
Wenn Anne die Gräfin, Tanner und Alebin in dieser Sache gewähren ließ, wäre Robert außer sich. Sein Engagement für die Suche nach der Unsterblichkeit und die Rettung des Elfenreichs war erfreulicherweise erlahmt. Aber würde er tatenlos zusehen, wie seine Heimat an die dunkle Macht fiel? Mit Sicherheit nicht.
Außerdem hatte Anne noch eine Rechnung offen. Unterstützte sie Elisabeth, hieße das indirekt, sich mit Tanner zu versöhnen. Bei dem Gedanken schlug Anne die Zähne aufeinander und fühlte, wie die Wut wieder in ihr hochkochte. Nein! Diesen verdammten Hurensohn würde sie nicht davonkommen lassen.
Lorec stieß sie an, riss sie aus ihren Gedanken. Der Wolfsmann ging in Lauerstellung, und Anne erkannte, dass sie ihr eigenes Credo missachtet hatte. Sie war mit den Gedanken abgeschweift, hatte ihre Aufmerksamkeit sinken lassen. Zwei Gestalten näherten sich aus Richtung des Michaelertors. Ein Mann und dahinter eine Frau in einem ausladenden Kleid, das im Mondlicht aufblitzte, als wären Silberfäden darin eingewebt.
»Riechst du es?«, fragte Lorec.
Anne konzentrierte sich. Sie ließ einen Hauch Magie in sich aufsteigen, erweiterte ihre Aura und schickte ihre Sinne auf Wanderschaft. »Ja«, flüsterte sie, nachdem sie tief ein- und ausgeatmet hatte. »Jetzt weiß ich, was du meinst: Blut. An ihnen klebt frisches Blut. Die Gräfin hat ihre neuen Fähigkeiten bereits erforscht.«
Sobald die beiden Gestalten in den Lichtkegel der Hotelbeleuchtung traten, erkannte Anne Elisabeth Báthory auch äußerlich wieder. Neben ihr ging der Ghul, endlich wieder mit seiner Herrin vereint.
»Sie ist immer noch wunderschön«, raunte Lorec.
Für einen Moment sah es aus, als hätte die Gräfin ihn gehört. Sie blieb abrupt stehen, drehte sich um und sah in ihre Richtung. Anne fiel ein, dass Elisabeth als Vampirin wahrscheinlich ebenso gut im Dunkeln sehen konnte wie sie. Blitzschnell packte sie ihren Freund am Hemd, zog ihn zu sich und umschlang und küsste ihn, während sie ihn mit den Augen zum Mitspielen aufforderte.
Verdutzt ließ er es geschehen und erwiderte den Kuss – erst zögerlich, schließlich immer stürmischer. Anne spürte den Blick der Gräfin über sich gleiten und hoffte inständig, dass Elisabeths Sinne noch nicht ausgeprägt genug waren, um andere Vampire zu wittern. Für sie mochten zwei Liebende ein Versteck gefunden haben.
Als Jarosh sie aufforderte weiterzugehen, wandte sich die Blutgräfin tatsächlich ab und verschwand mit ihm im Hintereingang des Hotels.
Lorec schien das egal zu sein. Voller Leidenschaft wanderten seine rauen Hände über Annes Rücken und hielten sie umklammert, bis sie ihn mit Wucht von sich stieß. »Es reicht!«
In seinen Augen funkelte Begierde. Erneut setzte er an, Anne zu packen, doch sie kam ihm zuvor und schlug ihm mit der flachen Hand so fest ins Gesicht, dass er zur Seite kippte. Lorec jaulte leise, rappelte sich auf und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Seine Miene spiegelte Schmerz wider; nicht den körperlichen, sondern einen, der seine Seele peinigte.
»Das kann ich dir nicht geben«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Wir waren nie mehr als gute Freunde, und daran wird sich auch in Zukunft nichts
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