Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
Jahren hat ein Mann namens Arnulf Reims als Erzbischof und Graf regiert. Er selbst war ein unehelicher Sohn von König Lothar, der damals in einen schwerwiegenden Konflikt mit Kaiser Otto verwickelt war …« Joscelin hatte recht: Die politischen Verwicklungen, mit denen er zu tun hatte, interessierten Eleanor tatsächlich nicht. Sie tat trotzdem so, als höre sie aufmerksam zu. »Und das war letztendlich der Grund, warum Abt Reginar mich nach Reims geschickt hat«, endete er zu ihrer Erleichterung schnell.
Sie kamen durch einen Torbogen und erreichten einen dahinter liegenden, kleinen Hof. Von dort war die halb fertige neue Klosterkirche kaum zu sehen, denn eine hoch aufragende Mauer verbarg sie vor neugierigen Blicken. Nur der Lärm der Handwerker, der Steinmetze und Zimmermannsleute, hallte laut herüber.
»Befindet sich Cedric hier im Kloster?« Eleanor sah an der Mauer in die Höhe. Ein paar Spatzen tummelten sich auf ihr, flogen aber umgehend fort, als hätten sie bemerkt, dass sie beobachtet wurden. Sie landeten in einem der kahlen Pflaumenbäume, die etwas tiefer am Hang von Le Mont standen, und setzten ihr lautes Gezwitscher unbeirrt fort. Eleanor beneidete sie um ihre Sorglosigkeit und Unbeschwertheit.
Falls Bruder Joscelin sich über ihre Frage wunderte, so zeigte er es nicht. »Er wird um diese Tageszeit in der Kräuterküche sein und neue Medizin herstellen, vermute ich.« Bevor Eleanor reagieren konnte, hatte Joscelin sie schon vom Pferd gehoben und auf ihre eigenen Beine gestellt. »Ich werde ihm sagen, dass Ihr ihn zu sprechen wünscht«, versicherte er fröhlich. »Dann wird er Euch in der Kirche treffen. An der Altarschranke, was meint Ihr?«
Eleanor nickte zustimmend. Es war üblich, Beichten an der Altarschranke der Klosterkirche abzulegen, und auf diese Weise würde sie mit Cedric sprechen können, ohne dass irgendjemand den Verdacht schöpfte, dass es dabei weniger um christliche als um besonders unheimliche, heidnische Angelegenheiten ging. Unsicher sah sie Joscelin zu, wie er über den kleinen Hof davonmarschierte und durch eine niedrige Tür im Inneren eines Seitengebäudes verschwand. Sein Pferd blieb einfach mit hängendem Kopf stehen. Die Zügel rutschten ihm bis zu den Ohren hoch, und es schüttelte sich schnaubend. Sofort griff die junge Magd nach den breiten, geflochtenen Lederriemen und befestigte sie am Sattel. »Besser so?«, fragte sie.
Das Pferd sah sie mit seinen riesigen Augen an, und Eleanor hätte sich nicht gewundert, wenn es sich bei ihr bedankt hätte. Schließlich sprachen inzwischen Katzen zu ihr, warum also nicht auch andere Tiere?
Aber das Pferd schwieg, und Eleanor schüttelte den Kopf über sich selbst. Sie ging zu einer der niedrigeren Mauern und setzte sich vorsichtig darauf. Obwohl er mitten im Licht der Sonne lag, war der Stein noch kälter als der Baumstamm im Wald. Diesmal jedoch linderte die Kälte die Schmerzen nur wenig, die durch das Reiten wieder schlimmer geworden waren.
Wenige Minuten nachdem er gegangen war, kehrte Joscelin zurück. »Ihr müsst Bruder Cedric sehr wichtig sein«, rief er schon von Weitem lachend. »Ich habe nie zuvor gesehen, dass er seine Arbeit in der Kräuterküche für jemanden unterbrochen hat.« Er wies mit dem Kinn auf eine weitere Tür. »Geht dort hindurch. Sie bringt Euch direkt in die Kirche. Bruder Cedric wartet an der Altarschranke auf Euch.«
Eleanor bedankte sich bei dem Mönch und ließ sich vorsichtig zu Boden gleiten. Vor Schmerzen biss sie sich auf die Unterlippe, und das brachte Joscelin dazu, sie sanft am Arm zu nehmen. »Der Kerl, der Euch das angetan hat«, sagte er fest, »wird sich vor Gott dafür verantworten müssen.«
Eleanor nickte ihm zu, aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass ihr die Aussicht auf ein vielleicht noch fernes Gottesgericht nicht reichen würde. Der Gedanke versetzte sie in eine Angst, die ihre christliche Erziehung in ihren Grundfesten erzittern ließ.
Rache ist nicht der Weg, den du zu gehen hast
, sagte Boann in ihrem Kopf.
Aber jetzt eile! Cedric erwartet dich. Und er hat dir viel zu erzählen!
»Eleanor!« Der Mönch, der hinter der Altarschranke stand, war mindestens sechzig Jahre alt und völlig kahl. »Gut, dass du da bist.«
Schüchtern trat Eleanor zu ihm hin. Die alte Klosterkirche war winzig, kaum mehr als eine Kapelle mit einem steinernen Altar und zehn einfachen Bankreihen, die man aus grobem Holz zusammengezimmert hatte. Nur die Mönche, die ihre Sitzplätze rechts
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