Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
war.
»
Er
ist es«, sagte Darby beim Frühstück zu Saul, der in den Wirtschaftsteil der »Financial Times« vertieft war. Ein freundlicher Hotelbediensteter hatte sie für ihn aufgetrieben, irgendwo.
»Mhm«, brummte Saul und runzelte die Stirn, als er die Aktienkurse sah. Dann runzelte er sie noch mehr, weil Darby die Zeitung nach unten drückte und zerknitterte.
»Ich werde dich verlassen, Charles!« keifte er mit schriller, hoher Stimme, und Saul grinste.
»Dann geh doch endlich zu deiner Mutter, Edna!«, gab er zurück und legte die Zeitung beiseite. Gut gelaunt köpfte er das zweite Frühstücksei. Was auch immer Darby und dieser teuflische Elfenhund mit ihm gemacht hatten, er fühlte sich wie neugeboren und mindestens zehn Jahre jünger. Es hatte Stil, so in den Tod zu gehen. Vielleicht hatte er auch ein wenig Zeit gewonnen. »Also,
wer
ist was?«
»Das Wetter, Saul, ist kein Zufall. Nadjas Sohn wird bald geboren, der Sohn des Frühlingszwielichts, und zwar
hier
. Ich brauche keinen weiteren Beweis.«
»Aber wo sollen wir die Oreso finden, Darby? In einer Vulkanspalte? In einer heißen Quelle?«
»Du könntest anfangen, die Krankenhäuser abzuklappern, und ich taste mich vorsichtig über den Elfenkanal voran und hoffe, dass es keiner mitbekommt. Ach, was mache ich mir da vor –
natürlich
werden sie es mitbekommen. Wahrscheinlich wird Island bald die Insel mit der höchsten ethnischen Dichte der Welt sein. Wir werden in die größten Schwierigkeiten unseres Lebens geraten und an allen Fronten kämpfen müssen.«
»Sehr gut. Ich bin Geschäftsmann, denkst du, ich kenne das nicht? Was denkst du wohl, wie ich Multimillionär wurde? Außerdem sind wir zu dritt – du, ich und Cara. Das hat in Bratislava schon geklappt; wir sind ein gutes Team.«
»Ich hoffe, du hast ein paar Menschentricks auf Lager, sonst sehe ich schwarz für dich.«
»Keine Sorge«, nuschelte Tanner kauend. »Bin kein Anfänger.«
Sein Pilot war auf Besorgungen unterwegs, und den »Notfallkoffer« hatte er sowieso immer im Flugzeug dabei. Nicholas Abe hatte sich seinerzeit lustig darüber gemacht und Tanner als »ewigen Tom Sawyer« bezeichnet, doch nun würde sich diese Vorsorge auszahlen.
Nach dem Frühstück ließ Saul eine Sekretärin von einer Zeitarbeitsagentur kommen und beauftragte sie, in allen Krankenhäusern, Polizeistationen und Touristeninformationen nach einer Frau namens Nadja Oreso zu forschen: Deutsche, sechsundzwanzig Jahre alt, braune Haare, hellbraune Augen, hochschwanger. Da die junge Sekretärin dies für einen ungewöhnlichen Auftrag hielt, erklärte er ihr nahezu theatralisch, er sei Nadjas »unehelicher Vater« und gerade erst darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass er eine Tochter habe. Nun wolle er die Geburt seines Enkels nicht versäumen. Daraufhin war sie mit Begeisterung dabei.
Tanner dachte bei sich, wie seltsam es doch war, dass seine Lüge sich mit Wahrheit verband. Immerhin erwartete seine eigene Tochter tatsächlich ein Kind, dessen Geburt er aller Voraussicht nach nicht miterleben würde, wenn nicht ein Wunder geschah. Bedeutete ihm die Tatsache etwas, dass seine Gene in die nächste Generation weitergegeben wurden? Schon, vielleicht fand sich damit noch ein würdiger Erbe seines Imperiums.
Nein
, dachte er energisch.
Ich werde nicht sterben, sondern die Unsterblichkeit erringen! Das ist mein Ziel, nichts anderes. Dann erst öffnen sich mir die wahren Möglichkeiten …
Warum eigentlich kein dauerhaftes Bündnis mit einem Elfen? Zwei Herrscher von zwei Welten, die dadurch miteinander vereint sein würden. Vielleicht konnten sie eine Übereinkunft finden, dass beide über Nadja Oreso verfügen durften. Ihren Sohn konnte Darby behalten, an dem war Tanner nur insoweit interessiert, als er durch ihn Heilung fand. Aber die bereits dem Foto nach begehrenswerte Mutter wollte er wenigstens einmal gekostet haben. Danach fand er sie wahrscheinlich sowieso uninteressant.
Darby O’Gill sah er den ganzen Nachmittag nicht wieder, der Elf war mit seinem Hund unterwegs. Tanner hoffte, dass sein Partner sich mit Nadja nicht täuschte und diese ganze Aktion am Ende nicht umsonst wäre. Die Sekretärin jedenfalls hatte nicht den geringsten Erfolg, aber das verwunderte Tanner kaum. Seit Monaten war er vergeblich hinter der Oreso her und nun zum ersten Mal nah dran, sofern O’Gill recht hatte.
Erst zum Abendessen fand sich Darby wieder ein. »Ich konnte ihre Spur finden«, berichtete er und breitete eine
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