Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
sie.
»Gibt es neue Erkenntnisse, was die Suche nach dem Quell des Lebens betrifft?«, fragte sie. Der Gedanke an ein Altern hatte sich erst vor Kurzem in ihr Reich geschlichen. Sie wusste, dass Fanmór seine beiden Bälger als Agenten in die Menschenwelt gesandt hatte, um nach jenem mythischen Heilmittel gegen die Alterskrankheit zu fahnden, das in Dutzenden Legenden erwähnt wurde.
»Wir verfolgten eine Spur in Paris, aber sie erwies sich nicht als zielführend. Derzeit laufen Nachforschungen in mehreren anderen Städten. – Doch hat das nicht ein wenig Zeit, Königin? Denn hier habe ich, was Ihr Euch wünscht.« Er reckte einen Sack hoch in die Luft. Er war mit blutroter Silberwolle gewoben und bot größtmögliche Sicherheit gegen das Diffundieren der Seelensubstanz.
»Gib her!«, forderte sie – und schalt sich im selben Moment dafür, ihre Gier so deutlich zur Schau zu stellen.
»Gern.« Der Getreue trat einen Schritt näher. Seine Aura vereinte sich mit der ihren. Sie passten zu einem Gutteil zusammen, bildeten aber keine perfekte Einheit. Winzige Bestandteile stießen einander ab. Bandorchu hatte sich noch niemals in den Zeiten ihres Zusammenseins die Mühe gemacht, den Grund für diese geringfügigen Abweichungen herauszufinden. Sie empfand es als durchaus reizvoll, dass sich auch Aspekte des Hasses und des Widerwillens in die riesigen Flächen körperlicher Anziehung mischten.
Sie nahm den Sack entgegen. Er vibrierte. Die Seelen darin fühlten die Präsenz der Königin und suchten verzweifelt nach einem Fluchtweg. Bandorchus Erregung stieg.
»Ich ziehe mich jetzt zurück«, sagte sie würdevoll. »Ich werde dich später sehen.«
»Sollte ich Euch nicht begleiten und auf Euch aufpassen, während Ihr Euch ... satt esst?« Seine Präsenz wuchs wie eine schier unüberwindbare Mauer vor ihr. Er testete sie, wollte sich einmal mehr an ihrer Widerstandskraft versuchen.
»Nein!«, sagte sie schroff. »Du wartest auf meine Rückkehr.« Und leiser fügte sie hinzu: »Zügle indes deine Gelüste. Die Beschwerden über deine sinistren Spielchen in den Katakomben häufen sich.«
Der Getreue verneigte sich, verschränkte die Arme und zog sich einige Schritte zurück. Ihre Auren trennten sich voneinander. Ein Gefühl des Bedauerns blieb zurück.
Bandorchu packte ihren Seelensack um die Mitte und quetschte ihn ein wenig zusammen. Die Essenz darin sandte vage Gefühle der Panik aus. Sie hallten als Schreie eines kleinen, ungeübten Chors in ihr wider.
Sie beschleunigte ihre Schritte immer mehr, je näher sie dem Privatbereich kam. Die Tore öffneten sich mit einem lauten, schrillen Quietschen. Winzige Herztöter, rote und pulsierende Klumpen, die sich durch geheimnisvolle Kräfte in der Luft hielten, schreckten aus den Winkeln hervor. Sie stürzten sich auf sie, erkannten sie aber noch rechtzeitig und winselten um Vergebung. Die Königin winkte sie beiseite und kümmerte sich nicht weiter um die Wächter.
Sie fläzte sich auf ihre Liegestatt und ordnete mit dem letzten Rest ihrer Vernunft einen Schutzfluch rings um sich an. Die Schnürung des Seelensacks wollte nicht aufgehen. Ungeduldig nestelte sie daran herum, zog die Fäden durch die metallenen Ösen und warf sie dann achtlos beiseite. Noch im Flug verwandelten sie sich in dünne, knallrote Giftschlangen. Sobald sie den Boden berührten, schlängelten sie davon, von ihrem Eibenschrank wie magisch angezogen. Dort würden die Tiere laichen; irgendwann würde sie die Eier aufstoßen und sich den glitschigen Inhalt in die Haut einmassieren. Doch jetzt ...
Bandorchu steckte ihre Nase vorsichtig in die Öffnung des Beutels. »Zwei Menschenkinder«, flüsterte sie. »Kommt doch näher, meine Lieben ...« Gedankenverloren sprach sie aus, was sie fühlte: »Ihr seid so schöne, unberührte, unschuldige Wesen und besonders nahrhaft. Voll von Träumen, Hoffnungen und fantasievollen Vorstellungen. Und da? – Ein Künstler! Ein Sänger.« Ekstatische Schauder durchliefen ihren Körper. »So rein und so wahrhaft. Bis zum letzten Funken von seinen Idealen überzeugt. Dazu ein alter Wucherer. Bösartig bis in die Knochen, von wohltuender Schlechtigkeit. Ein Mädchen. Siebzehn Jahre alt und noch jungfräulich. Den Kopf voller Flausen und romantischen Ideen. Was für ein Hochgenuss!«
Bandorchu atmete tief ein, nahm einen ersten, vorsichtigen Zug von der Essenz, die weder fest noch flüssig, noch gasförmig war. Sie legte sich wie eine Schutzschicht über all ihre Sinne,
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