Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
unähnlich. Die monumentalen Begrenzungssteine am Treppenabsatz waren zur Gänze von ihnen überwuchert. Unter dem Pflanzenwirrwarr mochten sich steinerne Abbilder von Elfen befinden oder stumme Wächter mit hässlichen Fratzen, die Neugierige wie ihn abschrecken sollten. Gofannon wusste es nicht, und es interessierte ihn auch nicht. Das schwarze Loch, die Öffnung in der Pyramide, zog ihn nun wie magisch an. Er achtete nicht mehr auf brummende Käfer, platzende Flugeier, sirrende Vögel und Insekten; für ihn gab es nur noch das Geheimnis Thanmórs. Er stieg die Stufen hoch. Wachsam und dennoch von wachsender Unruhe befallen. Je höher er kam, desto besser geriet die Sicht über das steinerne Labyrinth ringsum. Die Felsnadeln wirkten plötzlich ... sortiert, wie einem Muster gehorchend. Als wären sie ebenfalls eingefrorene Wächter, die in militärischer Kampfordnung darauf warteten, irgendwann von ihrem schrecklichen Los befreit zu werden.
Die letzten Schritte, dann war der Zugang erreicht. Ein fahler Lichtschein zeigte ihm den Beginn eines Wegs ins Innere. Gofannon besaß keine Fackeln. Er hätte auch nicht gewusst, wie er ein Feuer entzünden sollte. Künstliches Licht in der ewigen Helligkeit der Schattenwelt zu erzeugen erschien ihm als nahezu widersinnig. Er würde sich auf seinen Instinkt und seine Geschicklichkeit verlassen müssen. Einmal tief durchgeatmet – und dann hinein ins Unbekannte. Gofannon betrat die Pyramide ...
... und fand sich mit dem nächsten vernünftigen Gedanken, den er fasste, wieder im Freien. In seinen Händen hielt er eine hölzerne, prächtig verzierte Schatulle, so breit und lang wie sein Unterarm.
Stunden oder Tage mussten vergangen sein. Sein Körper war mit einer Vielzahl von Narben übersät.
Gofannon spürte den Hauch eines Luftzugs seinen Rücken heraufkriechen. Irgendetwas aus dem Inneren der Pyramide hieß ihn, so rasch wie möglich von hier zu verschwinden.
Angst, wie er sie noch niemals zuvor verspürt hatte, ergriff ihn. Gofannon stolperte die Stufen abwärts. Das bedrohliche Brummen der Käfer war ihm nun einerlei. Er musste weg von hier, so rasch wie möglich. Der ... Schatz in seinen Armen gehörte zur Königin gebracht; so lautete der Auftrag, den er
in sich
spürte. Er durchlief das Labyrinth der Felsspitzen, als wäre er schon tausendmal hier gewesen, und rannte auf den Geröllabhang zu. Keinen Blick schenkte er mehr der Pyramide.
Erst als er die Hochebene verlassen hatte und endlich wieder Atem schöpfen konnte, erinnerte er sich, dass die beiden steinernen Monumente links und rechts vom Treppenabsatz verschwunden gewesen waren. Tiefe Fußabtritte hatten von ihren Plätzen weggeführt. Auf dem staubigen Boden waren Abdrücke zu sehen gewesen: eine nach hinten verspreizte große und drei kleinere, nach vorne gerichtete Greifzehen. Die Wächter dieses Mausoleums, deren untote Bewohner ganz offenbar in Ruhe gelassen werden wollten, waren erwacht.
14 Robert
Ein Feiertag in London
Damals:
Die butterweiche Landung am Flughafen London-Heathrow verlief bei prächtigem, für London um diese Jahreszeit völlig ungewohntem Wetter. Der Transit ins Zentrum der Stadt wurde zum Abenteuer der besonderen Art: Sandra plapperte pausenlos vor sich hin und zeigte mit ihren kleinen Fingerchen aufgeregt auf alles, was ihr bedeutend vorkam.
Fünf Jahre war sie alt; seit drei Monaten besuchte sie die Vorschule. Wenn man den Lehrern vertrauen durfte, war sie sprachlich und künstlerisch hochbegabt und besaß dafür ein kleines Manko, wenn es ums Rechenverständnis ging.
Es war Robert einerlei, wie sich Sandra in der Schule anstellte. Sie war sein Sonnenschein, sie erfüllte sein Herz mit Freude, sobald sie lächelte oder eine ihrer altklugen, todernsten Bemerkungen fallen ließ.
Er umarmte Lisa und küsste sie. So intensiv und heftig, dass die englischen Passagiere der U-Bahn pikiert wegsahen.
»Wofür war das?«, fragte seine Frau erstaunt – und glücklich.
»Für dieses kleine Plappermonster hier«, gab Robert zur Antwort und deutete auf Sandra. »Das habe ich ausgezeichnet hinbekommen. Da du auch einen gewissen Teil der Arbeit erledigen musstest – neun Monate Schwangerschaft und drei bis vier Jahre mit durchwachten Nächten –, wollte ich mich bedanken. Natürlich hatte
ich
während dieser Zeit die Hauptarbeit; ich erinnere mich an mindestens drei Momente, da ich eigenhändig die Windeln wechseln musste, und einmal habe ich das Fläschchen um drei Uhr morgens
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