Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen - Themsen, V: Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen
nicht, wo der Wein gelandet ist, den er abgezweigt und gegen etwas … Freundschaft … eingetauscht hat. Und da ihr nun selbst in den Genuss seiner Tat kommt, würde ich euch auch bitten, ihn bei eurer Rückkehr nicht zu verraten, wann auch immer diese stattfinden wird.«
Rian fühlte sich, als habe sie ein Blitz getroffen. Wenn die Beziehungen Alberichs bis in das Baumschloss Fanmórs reichten, ohne dass dort jemals etwas über sein Überleben bekannt geworden war – wie viel weiter erstreckte sich sein Netz noch, und wie dicht mochte es sein? Was wusste er?
Sie sah zu ihrem Bruder, der ihren Blick erwiderte. In seinen Augen stand ebensolcher Schrecken, wie sie ihn empfand. Er war ein wenig blass geworden, und sie vermutete, dass es ihr nicht besser ging.
Alberich lachte auf, griff nach der Speisekarte und schlug sie auf. »Macht euch nicht so viele Gedanken, Kinder. Es ist niemandem Schaden zugefügt worden, im Gegenteil. Und wer will es mir verübeln, wenn ich mir das Leben hier etwas angenehmer zu gestalten versuche? Ich denke, wir sollten jetzt etwas zu essen auswählen, damit wir bestellen können, wenn der Wein kommt.« Er sah auf die Karte hinunter und studierte das Blatt mit den Tagesspezialitäten.
Rian löste ihren Blick von David, nickte stumm und folgte dann Alberichs Beispiel. Es fiel ihr jedoch äußerst schwer, sich auf die Buchstaben zu konzentrieren. Sie war noch zu verwirrt von dem, was Alberich gesagt hatte, und mindestens ebenso sehr davon, mit welcher Nachlässigkeit er es getan hatte. Schließlich klappte sie die Karte zu, legte sie beiseite und schüttelte den Kopf.
»Ich denke, ich werde mich auch darin auf deinen guten Geschmack verlassen, Reginald. Du weißt sicher am besten, was hier gut schmeckt.«
Als der Kellner kam, bestellte Alberich für Rian etwas Vegetarisches, suchte für sich selbst aber ein Fleischgericht aus. Rian fragte sich, ob er ihre Vorliebe erraten oder auch dies bereits im Vorfeld in Erfahrung gebracht hatte. Sie traute ihm zu, im Hotel nachgefragt zu haben, während er auf sie wartete.
David bestellte selbst für sich, er hatte offensichtlich keine Konzentrationsprobleme gehabt.
Nachdem der Kellner sich mit den Karten zurückgezogen hatte, lehnte Rian sich vor, die Unterarme auf dem Tisch aufgestützt und die Hände gefaltet.
»Also, Regin oder Alberich oder Reginald oder wie auch immer du gerne genannt werden willst«, begann sie dann auf Elfisch. »Meine Neugierde ist ein für alle Mal geweckt. Wie kommt es, dass ein Elf, der hier wie dort für tot gilt, quicklebendig vor mir sitzt und Beziehungen aufzuweisen hat, die uns erblassen lassen?«
Ihr Gegenüber lächelte leicht. »Nennt mich ruhig Alberich. Diesen Namen hat man damals auch in Earrach für mich übernommen, und ich habe mich daran gewöhnt, von unsereins so genannt zu werden.«
Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, während er Rian musterte. Sie hielt seinem Blick ruhig stand. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass ihr Bruder sich auf seinem Stuhl ein wenig zur Seite gedreht hatte, um sie beide mit auf einem Arm aufgestütztem Kopf zu beobachten.
»Damit ihr versteht, was damals alles geschehen ist, muss ich ein wenig weiter ausholen«, begann Alberich. »Ich nehme an, ihr kennt zumindest in Teilen die Sagen und Geschichten, die sich allerorts um mein Leben ranken?«
»Zu Hause habe ich das eine oder andere über dich und deine Brüder gehört«, antwortete Rian. »Ich gebe aber zu, dass ich mich nie allzu sehr für das interessiert habe, was vor meiner Geburt geschehen ist.«
»Ein Fehler, Prinzessin«, sagte Alberich und legte den Kopf zur Seite. »Wir können viel aus der Vergangenheit lernen, wenn wir sie genau betrachten. Dinge, die sich bereits als erfolgreich erwiesen haben, lassen sich wiederholen und Fehler vermeiden. Unter Umständen erfährt man Nützliches über Personen, mit denen man zu tun hat, wenn man mehr als nur ihre eigene unmittelbare Geschichte studiert. Jeder wird direkt oder indirekt von der Vergangenheit geprägt.«
»Sicher. Aber für mich gab es bisher keine Notwendigkeit, mich damit zu beschäftigen.«
»Bisher.« Alberich nickte leicht. »Die Dinge ändern sich in mancherlei Hinsicht, nicht wahr, Prinzessin? Vieles von dem, was man unvermeidlicherweise lernt, wenn man hier lebt, wird bald vielleicht auch dort wichtig, wo man bisher nicht viel darauf gab. Aber ich schweife ab.«
Zwei Kellner kamen an ihren Tisch, und Alberich unterbrach
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