Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen - Themsen, V: Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen
Abend meine geehrten Gäste – und wenn es euch gefällt, auch noch die ganze Nacht hindurch!« Er zwinkerte Rian kurz zu, drehte sich dann wieder um und verschwand im dunklen Hausinneren.
Rian sah mit gemischten Gefühlen erneut an der Fassade des so eigenwillig gebauten Hauses hoch. Ein wachsender Zwiespalt machte sich bei ihr bemerkbar. Einerseits elektrisierte sie Alberichs Nähe, und sie wünschte sich, sehr viel Zeit gemeinsam mit ihm verbringen zu können. Andererseits flüsterte tief in ihr eine Stimme voller Misstrauen, dass sie sich vorsehen und von ihm fernhalten sollte.
»Er ist seltsam unberechenbar«, flüsterte sie ihrem Bruder zu, während sie nebeneinander die Stufen hochstiegen. »Etwas so Verspieltes wie dieses Haus hätte ich nicht von ihm erwartet. Außerdem fällt es mir bei ihm schwer, zwischen Offenheit und Schein zu unterscheiden. Alles ist eng ineinander verwoben, und ich habe den Eindruck, dass er manchmal Wahrheiten bewusst einsetzt, um Lügen zu kaschieren, nicht nur andersherum. So, wie er die Goldperle als Elfenwein hat einlagern lassen.«
»Du hast dich zu sehr an die Menschen gewöhnt, Schwester«, sagte David. »Er ist durch und durch ein Elf, wie wir sie zu Hunderten am Hofe unseres Vaters haben, ohne dass wir uns deshalb damals viele Gedanken gemacht hätten. Er ließ sich nicht so von der Welt der Sterblichen verändern wie Talamand. Unser Freund aus Paris hat seinen elfischen Biss verloren, Alberich ihn sich bewahrt, vielleicht sogar noch ein wenig feiner geschliffen. Ich vermute, er benutzt die Menschen für seine Zwecke, aber er hat sich niemals wirklich auf sie eingelassen. Das macht ihn mir sympathisch.«
»Und wer sagt uns, dass er nicht auch uns für seine Zwecke benutzt?«
»Niemand. Tatsächlich erwarte ich von ihm, dass er das versucht, sonst würde er nicht so viel Aufwand um uns treiben. Aber das ist gut, denn es heißt, dass wir ihm etwas bieten können und somit die Basis für einen Handel gegeben ist.«
Rian nickte, aber die Zweifel in ihr blieben.
Am Ende des dunklen Ganges betraten sie einen über drei Ebenen verteilten Raum, der an der gegenüberliegenden Seite komplett verglast war. Durch die Panoramascheiben hatten sie einen guten Blick auf die nächtliche Parklandschaft in englischem Stil, die von den gleichen Lampen beleuchtet wurde wie der Vorplatz. Große Schiebetüren ermöglichten Zutritt zu diesem Park, waren im Moment jedoch geschlossen.
Der Raum selbst wurde von unzähligen Leuchtpunkten in der hellen Holzdecke und den Wänden in ein warmes, diffuses Licht getaucht. Selbst in den Parkettboden waren glimmende Leuchtdioden eingebaut. Die Möbel aus Glas und hellem Holz, die cremefarbene, ausladende Couchgarnitur, sogar der hohe Kerzenständer aus geschwärztem Metall und der riesige Flachbildschirmfernseher an einer der Seitenwände warfen nicht mehr als schwache Schatten. Als Rian das bewusst wurde, wanderte ihr Blick zu ihrem eigenen künstlichen Schatten. Er hatte sich unsicher unter ihr verkrochen und waberte hin und her. Sie lächelte.
Alberich stand inmitten des Raumes und sah ihnen mit einem erwartungsvollen Gesichtsausdruck entgegen. Kaum dass Rian seinem Blick begegnete, spürte sie auch schon dieses leise Prickeln, das seine Gegenwart in ihr auslöste, und die Bedenken von zuvor rückten in den Hintergrund.
»Nun, was sagen Fanmórs Kinder hierzu?«, fragte er mit ausladender Geste.
»Schön, schön«, antwortete David und sah sich um. Sein Blick blieb an der Bar hängen, die vor der dem Fernseher gegenüberliegenden Seitenwand stand. Die Regale dahinter wirkten gut bestückt, und Rian erkannte einige Flaschen, deren Inhalt vermutlich nicht aus der Menschenwelt stammte. Die Augen ihres Bruders leuchteten auf. »Darf ich?«
»Es wäre mir eine Ehre.« Alberich machte eine einladende Geste.
David ging, ohne zu zögern, die vier Stufen hinauf, welche die mittlere Ebene des Raumes von der Seite mit der Bar trennten, und trat hinter die Theke. Das Klackern von Pumps auf glattem Boden erklang, und alle drehten sich zu einem Durchgang um, der neben dem Fernseher in ein angrenzendes Zimmer führte.
Eine hochgewachsene blonde Frau in einem langen roten Kleid, dessen Ausschnitt fast mehr zeigte, als er verbarg, trat ins Zimmer. Sie trug ein Tablett mit verschiedenen Schälchen voller Naschereien. Als ihr Blick auf die Zwillinge fiel, blieb sie stehen, schüttelte mit einer knappen Kopfbewegung ihr welliges langes Haar zurück und
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