Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen - Themsen, V: Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen
tun geben, denn im Schloss bin ich vorerst nicht gerne gesehen, und man hat mir für eine Weile freigegeben. Zweifellos werden mich auch meine wenigen sogenannten Freunde meiden. Und das ist auch besser so, denn dein Denken kann ich in der kurzen Zeit, die uns bleibt, leider nur mit wenigen Dingen füllen … und schließlich muss ich dir ja auch noch irgendetwas voraushaben.«
Langsam ging er um die Figur herum. Er nahm einen spitzen Dolch, stach sich damit in die Fingerkuppe des linken Zeigefingers und beobachtete, wie sich ein Blutstropfen über dem Einstich bildete. Ehe der Tropfen groß genug wurde, um abzulaufen, legte Alebin den Finger dort gegen die Figur, wo bei ihm das Herz schlug, und bohrte ihn tief hinein.
»Viel von mir steckt bereits in dir, mein Freund. Nun schenke ich dir von meinem Blut. Spüre meinen Puls, damit auch du einen Herzschlag erhältst.«
Als Alebin ein schwaches Echo seines Pulses in der Figur spürte, zog er den Finger wieder zurück und wischte ihn mit einem Tuch ab. Die Wunde hatte sich bereits geschlossen. Erneut griff er nach dem Glas, trank den Rest aus und füllte es aus einer geschliffenen Kristallkaraffe, die unter dem Tisch stand.
Die nächste Viertelstunde verbrachte Alebin damit, das geschaffene Loch wieder zu verschließen und die Oberfläche zu glätten. All diese Dinge musste er ohne Magie tun, und es hatte ihn viele Jahre gekostet, diese Kunst zu perfektionieren. Doch es war die Mühe wert, wie er fand – und sei es nur, damit er selbst sich am eigenen Körper erfreuen konnte.
Als keine Spur mehr von der Stelle zu finden war, an der er sein Blut in den Tonelfen eingebracht hatte, war die rote Sonne bereits ganz vom Himmel verschwunden und hatte der Dunkelheit der Nacht Raum geschaffen. Kleine leuchtende Kügelchen erhellten das Atelier mit vielfarbigen Lichtschimmern, die scharfe Löcher in die Finsternis stanzten.
Alebin legte den Spatel beiseite und breitete die Arme aus. Neue Energie schien ihn zu erfüllen, straffte seine Gestalt und brachte seine Augen zum Funkeln. Sein Haar bekam einen goldenen Glanz und zog sich zu leichten Locken zusammen, und die Blässe seiner Haut gewann einen seidigen Schimmer. Die Magie der Nacht vollzog die Veränderung, die in der Natur des Elfen lag, und er genoss es.
»Nun kommt der beste Teil, mein Freund«, murmelte er. Er trat auf die Figur zu, die eine exakte, aber spiegelbildliche Kopie seiner selbst war, und küsste sie auf die irdenen Lippen.
»Ich schenke dir von meinem Atem«, flüsterte er und hauchte in die ausgehöhlten Nasenlöcher.
Von einem Moment zum nächsten wandelte sich der kalte Ton unter Alebins Händen zu weicher Haut und warmem Fleisch. Goldschimmerndes Haar spross überall aus dem kahlen Schädel hervor, bis es die Länge erreicht hatte, die Alebins Haare vorgaben. Gleichmäßige Atemzüge drangen aus der schwach zuckenden Nase, und unter den Augenlidern waren die Bewegungen von Augäpfeln zu erkennen.
Alebin ließ seine Hände an der Brust des Spiegelelfen hinuntergleiten, bis er den Herzschlag spürte. Dann trat er erneut zurück und schlug dreimal kräftig in die Hände.
»Erwache, Nibela!«, rief er. »Erwache und sei Alebin, bis ich dich von deinem Dienst entbinde!«
Der irdene Elf schlug die Augen auf, und sein Blick begegnete dem seines Schöpfers. Alebin lächelte, nahm das Glas auf und prostete seinem Werk zu.
»Alles Gute zum Geburtstag.«
5 Die Schätze des Lebens
Alberich erwachte von den ersten Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch den leichten Morgennebel über die umliegenden Bäume hinweg ins Turmzimmer fanden. Er setzte sich auf und sah zur Seite. Rian lag noch immer so da wie in der Nacht, als sie sich schließlich mit einem Seufzen neben ihm eingerollt hatte und binnen weniger Augenblicke eingeschlafen war.
Dass sie noch Jungfrau gewesen war, hatte er nicht erwartet. Zu deutlich wies ihr Verhalten am Vorabend darauf hin, dass es ihr an Erfahrung nicht mangelte. Sie selbst hatte es nur mit einem lapidaren »Irgendwie kommt immer etwas dazwischen« kommentiert, in dem für ihn deutlich die Sehnsucht mitschwang, endlich diese letzte Erfahrung zu machen.
Umso überraschender war ihm seine eigene Reaktion darauf erschienen. Bei jeder anderen Frau räumte er die Jungfräulichkeit ohne Zögern aus dem Weg. Doch bei Rian … Ihre Unberührtheit war ihm auf einmal wie ein wertvoller Schatz erschienen, etwas, das man bewahren und dessen Genuss man so lange wie möglich hinauszögern
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