Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
besetzten Brille und Designer-Klamotten, begleitet von drei großen Tüten.
»Es ist nicht auszuhalten!«, rief sie mit theatralischen Gesten, stöckelte zu einem Schreibtisch und ließ sich stöhnend auf einen Stuhl fallen, die Tüten rings um sich verteilt. »Diese Verrückten! Die ganze Stadt ist verrückt! Und erst recht im Nebel! Madonna, was ist das für ein Leben.«
Giorgio stellte die Frau vor: »Das ist Carla Baldini, zuständig für Meldungen aus dem Bereich der Reichen und Schönen.«
Nadja lächelte. »Das habe ich schon vermutet.«
»Ciao, Carla!«, rief ein junger Mann vom Kopierer. »Was ist los, heute keinen Millionär geangelt?«
»Wenns nur das wäre!«, gab sie zurück und schüttelte ihre Haare nach hinten. Sie zählte an den langen roten Nägeln ihrer Finger ab: »Ich habe einen Termin beim Friseur, ich muss einkaufen, mein
pupillo
fühlt sich von mir vernachlässigt und will seinen Samstagssex, und als hätte ich damit nicht schon genug zu tun, musste ich auf diese Pressekonferenz gehen!« Sie funkelte Giorgio aus hellblauen Augen an. »Das ist ein Grund zur Kündigung!«
»Wie immer, Carla«, sagte Giorgio scherzend. »Wer hatte es denn so wichtig?«
»Piero, Conte del Leon«, antwortete die Klatschtante und musterte Nadja von oben bis unten. »Wer ist die denn? Mein Ersatz? Nur zu! Dann kann ich wenigstens gleich heimgehen.«
»Besuch aus Deutschland, eine Kollegin, deren Vater Venezianer ist. Nadja Oreso«, sagte Giorgio schnell, und Nadja nickte nur.
Carla winkte ab, sämtliche Finger waren mit Ringen besetzt. »Mir egal, meinetwegen ist sie die Tochter des Papstes.«
»Was für eine Pressekonferenz hat der Conte denn gegeben?«, fragte Nadja.
»Ah, die Fährte schon aufgenommen? Vergiss es, Schätzchen, der Kerl ist unnahbar. Es war auch nicht er selber, sondern sein Pressesprecher.« Carla hüstelte. »So ein schwindsüchtiges Bürschlein, wahrscheinlich sein derzeitiger Favorit. Chissà, wer weiß?« Nach einer Kunstpause beugte die Klatschreporterin sich nach vorne und blickte über ihre Brille hinweg zu Nadja. »Zuerst, um den jüngsten Vorwürfen wegen Betrug und Steuerhinterziehung zu begegnen. Hauptsächlich aber wegen des jährlichen Maskenballs heute Abend, auf Tramonto. Er sprach Einladungen aus, nannte die Auserwählten, die kommen dürfen, faselte etwas vom Jahrtausendereignis, der übliche Unsinn.«
»Heute Abend …«, stieß Nadja hervor.
»Sì, cicciola, Schätzchen. Ganz Venedig wartet darauf, wer diesmal dabei ist.« Mit vielsagender Geste öffnete sie die Handtasche und zog ein buntes Stück Papier hervor. »Und die liebe Carla, die Beste von allen,
hat
eine Einladung! Was mich zu Punkt sechs oder sieben meiner Tagesliste bringt, denn mein Kostüm muss ich auch noch holen, irgendwo hier habe ich den Abholschein … ah ja.« Sie heftete die beiden Zettel mit einer Büroklammer aneinander und ließ sie wieder in der Tasche verschwinden.
»Na dann, viel Spaß«, grinste Giorgio.
»Hör mir bloß auf! Um achtzehn Uhr geht die Fähre bereits am San Marco weg, wie soll ich das alles schaffen? Den Bericht zur Pressekonferenz muss ich ja auch noch schreiben!« Sie seufzte und schaltete den Computer ein. »Nicht jammern, arbeiten, Carla! Das sage ich mir immer. Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich die Einzige, die den Laden am Laufen hält. Alberto, bring mir einen Kaffee! Sonst kriege ich keine Zeile zustande. Und brüh gleich noch einen auf, ich werde einige Tassen brauchen.«
»Sicher, Liebste«, antwortete ein Jüngling, dessen dunkelhaariger Schopf kurz hinter dem Kopierer auftauchte, wo er seit einiger Zeit versuchte, das Chaos eines Papierstaus zu beseitigen. »Presto.«
»Subito!«
Alberto gehorchte augenblicklich, und Carla vertiefte sich in ihre Arbeit. Nadja starrte Giorgio böse an, der mit erhobenen Händen in Abwehrhaltung ging. »Du hast es gewusst!«, fauchte sie.
»Nadja, glaub mir, das ist nichts für dich! Carla war schon dort, und sie ist lebend zurückgekommen. Ich meine, wer käme schon auf die Idee, Carla etwas anzutun! Wir können sie wieder dorthin schicken. Aber du kannst da nicht hin! Ohne Einladung geht sowieso überhaupt nichts.«
»Na schön. Dann muss ich es eben auf konventionelle Weise versuchen, indem ich ihm vormache, dass ich ein Interview führen will. Oder eine Biografie schreiben, irgendwas in der Art.« Sie griff nach ihrer Tasche. »Ich muss jetzt nach Hause. Bist du morgen auch da?«
»Sicher, von elf bis eins.
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