Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
aus Zorn über unsere Abweisung. Einen Moment lang dachte ich sogar, er wolle mich angreifen.«
»Aber was hat er nun vor?«, fragte Rian ratlos. »Auf welcher Seite steht er wirklich? Hat er die Wahrheit gesagt, weil er Nadja aus irgendwelchen Gründen für sich beanspruchen will? Oder will er sich am Getreuen vorbei bei Bandorchu lieb Kind machen, indem er ihr persönlich ihre begehrte Beute übergibt?«
»Dann hätte dein Zauber versagt und er gelogen«, widersprach David.
»Ich meinte nicht Nadja«, versetzte Rian. »Wir haben ihn nicht danach befragt. Vielleicht möchte er sie als Köder gegen uns benutzen. Schließlich sucht die Dunkle Königin nach uns allen. Und er will vermutlich wirklich nicht, dass Nadja etwas zustößt. In der Hinsicht hat er wohl nicht gelogen.«
»Aber er hat uns nicht gesagt, in
welcher
Gefahr sie schwebt!« Pirx war völlig außer Atem. Er hatte alles versucht, auf jedem erdenklichen Weg, und jetzt fiel ihm nichts mehr ein; außerdem waren seine Kräfte am Ende. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte er Grog.
Der alte Kobold seufzte. »Ich glaube, es hat keinen Sinn, weiter nach dem Tor zu suchen. Alebin hat es gut versteckt, und wir wissen nicht, wie lange seine Magie anhält. Andererseits können wir nicht einfach andere öffentliche Tore benutzen, ohne den Feind oder jemanden aus dem Crain-Rat vorzeitig auf uns aufmerksam zu machen. Dieser hirschköpfige Regiatus beobachtet uns sowieso die ganze Zeit, und ich weiß nicht, ob er uns gut gesinnt ist. Ich fürchte, wir werden einen Umweg gehen müssen, der euch nicht gefällt.«
»Ach, solange er nicht durch sumpfigen Morast führt ...«, meinte Rian leichthin und wurde blass, als sie Grog langsam nicken sah.
»Wir müssen durch den Zwischenboden gehen, durch die ältesten Sümpfe beider Welten. Gefährlich wird es nicht, weil dort schon sehr lange nichts mehr lebt – aber unangenehm.«
»O nein ...«
»Was hat Alebin nur vor?«, grübelte David unterdessen. »Der Kerl ist mir unheimlich und in höchstem Maße unsympathisch. Selbst wenn er die Wahrheit gesagt hat, traue ich ihm keinen Schritt über den Weg.«
»Finden wir’s heraus«, schlug Grog vor und setzte sich in Bewegung. »Leider werden wir ihn erst in München stellen können, da er jetzt einen Vorsprung hat.«
»Ist er denn schon durchs Tor gegangen?«, wollte Pirx wissen.
»Nein, er konnte den Zauber nur von hier aus wirken, also findet er das Tor jetzt selbst nicht mehr. Ein Verschwindezauber ist sehr gründlich. Aber der alte Meidling ist sehr listig! Bestimmt kennt er einige Hintertürchen, die er schon in den Jahren vor unserem Schlaf benutzt und für sich offen gehalten hat. Wir könnten ihm vielleicht folgen, aber dazu müssten wir zum Baum zurück.«
»Wir gehen durch die Sümpfe«, entschied David, und Rian nickte mit leichenbitterer Miene.
6 Der Bruch
Als Nadja morgens das erste Mal aus dem Bett zum Fenster blinzelte, erwartete sie ein Schneesturm. Das Wetter schlug in den vergangenen Tagen die reinsten Kapriolen und entsprach in seiner Unberechenbarkeit genau der Stimmung der jungen Frau.
Trotzdem raffte sie sich auf. Einsam saß sie an ihrem Küchentisch, rührte lustlos im Kaffee und löffelte ab und zu eine Riesenportion Schokomüsli. Als sie dabei versehentlich das Cairdeas an ihrem Handgelenk berührte, zuckte sie unwillkürlich zusammen. Es fühlte sich warm und weich an ...
gut
. David hatte es ihr in Paris geschenkt, ein Stück seiner selbst, das wie ein Signalgeber Alarm schlug, wenn ihm etwas zustieß. Dann wurde es heiß und zog sich schmerzhaft eng um ihr Handgelenk zusammen. Doch jetzt war alles in Ordnung, David ging es gut ... falls die Verbindung nicht abgerissen war.
Nicht daran denken. Keine schlechten Gedanken!
Nadjas Finger strichen zärtlich über das schmucklose Armband, das sich ein bisschen wie Haut anfühlte. Nur David konnte das Cairdeas wieder von ihr lösen. Aber wenn es dazu kam, hatten sich ihre Welten für immer getrennt. Und dabei waren sie doch gerade erst dabei, sie überhaupt zusammenzuführen. Wenn er jetzt nur hier wäre! Genau das richtige Wetter, um im Bett zu bleiben und zu kuscheln. Und über so viele Dinge zu reden ...
Nadja fuhr zusammen, als das Telefon läutete. Auf dem Display sah sie die Vorwahl von Italien und meldete sich automatisch mit »Pronto!«
Es war der venezianische Anwalt, über den sie nunmehr versuchte, ihren Vater zu erreichen. Zuerst hatte Nadja wegen ihres Verhaltens ein schlechtes
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