Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
deine Schuld
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Warum aber hatte sie dann solche Schuldgefühle? Würde Abe noch leben, wenn sie ihn nicht aufgesucht hätte? Tom hatte schon recht, das wäre einfach ein zu großer Zufall. Hier gab es einen Zusammenhang.
Als sie schwer beladen zurück auf die Straße stolperte, war sie von einer Bitterkeit erfüllt, die nicht einmal die Sonne versüßen konnte. Leute mit fröhlichen Gesichtern eilten vorbei, geschäftig wie immer. Dort, wo man einen Kaffee oder ein Bier zu sich nehmen konnte, standen die ersten Tische und Stühle draußen. Ein heiterer Tag, der vom nahenden Frühling des jungen Jahres kündete. Nadja beneidete all die sorglosen Menschen um sich herum, zu denen sie sich vorhin noch zugehörig gefühlt hatte. Aber das war nur eine Illusion gewesen. Sie hatte nie zu den Menschen gehört und entfremdete sich nun immer mehr von ihnen.
Ein Mensch war tot, mit dem sie nur kurz in Berührung gekommen war. Und sie hatte einen Freund verloren, den sie erst vor wenigen Wochen kennen- und gleich sehr schätzen gelernt hatte. Sie vermisste Tom bereits jetzt schmerzlich, er hatte sie über ihre Einsamkeit hinweggetröstet. Vielleicht konnte sie die Freundschaft ja doch noch retten, aber nicht heute, nicht so. Tom musste erst einmal den Tod seines Freundes verkraften.
Was ist eigentlich mit Nadja? Soll ich sie nicht auch zu meiner Party einladen? Sie ist doch recht hübsch
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Die Oreso? Die lädt niemand ein. Sie hat keine Freunde
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Warum denn nicht?
Das wirst du schon noch kapieren, wenn du dich erst eingewöhnt hast
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Oh ... hi, Nadja, tut mir leid, hast du das etwa mitbekommen?
War nicht zu überhören
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Das ist sie doch gewohnt, nicht wahr, Oreso? Außerdem geht sie gar nicht auf Partys
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Wirklich? Warum denn nicht?
Weil sie Unglück bringt, Mann
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Du bringst Unglück?
Nein. Das sagen alle nur, um mich nicht einladen zu müssen. Aber das ist schon in Ordnung. Ich habe sowieso keine Lust, auf deine blöde Party zu gehen
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Nadja ächzte die Treppe zur U-Bahn hinab, die Rolltreppe hätte sie mit all den Tüten unmöglich benutzen können. Die Leute wichen ihr aus.
Papa, warum bin ich anders als die anderen?
Wie kommst du denn darauf? Du hast eine Nase, zwei Augen, zwei Ohren und einen Mund. Alles sitzt an der richtigen Stelle. Was soll anders sein?
Die sagen das. Sie mögen mich alle nicht. Warum nicht?
Du bist eben nicht wie sie. Du hast deinen eigenen Willen und bist nicht angepasst. Das finde ich gut. Und eines Tages wirst du das auch gut finden, und die anderen werden dich dafür bewundern
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Das sagst du doch nur, um mich zu trösten
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Nein, Fiorellina. Ich sage es, weil es die Wahrheit ist. Und die Wahrheit zu sagen ist ein echtes Privileg, das ich nicht leichtfertig verspiele
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Viele Dinge ergaben nun einen Sinn. Nadja war wirklich anders, und wegen des Schutzbanns, den ihr Vater über sie gelegt hatte, machte sie manchmal auf die Menschen einen abweisenden Eindruck. Sie zogen sich vor ihr zurück, ohne erklären zu können, warum. Während der Schulzeit hatte Nadja sehr darunter gelitten, weil sie nie zu einer Clique gehört hatte. Später empfand sie es als angenehm, genau wie Fabio prophezeit hatte, selbstständig und selbstbewusst zu leben. Es brachte Vorteile mit sich, nur für sich selbst verantwortlich zu sein. Sie hatte frei und ungezwungen gelebt und war auf tolle Reportagen ins Ausland geschickt worden, weil sie immer Zeit hatte.
Und dann war Robert dazugekommen, der genauso ein Satellitenleben führte wie Nadja – immer nah an der Erde dran, aber sie nie berührend, sondern im Schwung um sie herum. Es war kein Wunder, dass er und Nadja sofort ein Herz und eine Seele wurden.
Doch jetzt würde sie Robert als Freund wohl auch verlieren. Eine neue Beziehung veränderte oft alles. Sie konnten nicht mehr so unbeschwert um die Häuser ziehen wie früher. Nun gab es jemanden, auf den Rücksicht genommen werden musste und der volle Aufmerksamkeit verlangte.
Wenn
Anne tatsächlich
nur
ein Mensch war, eine Frau, die sich ernsthaft in Robert verliebt hatte und ihm guttat.
Und ich
, dachte Nadja,
habe eine Beziehung noch gar nicht richtig angefangen, schon bin ich wieder getrennt. Das kann nicht gut sein für uns. Ich weiß nicht, ob das mit David und mir je etwas werden kann. Und ich weiß nicht, ob ich es verkraften könnte, wenn es nichts wird
.
Die U-Bahn fuhr ein, und Nadja drängelte sich vor, wie sie es gewohnt war, fand einen Platz und ließ sich lauernd wie ein Drache auf
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