Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele
entlang, der sich leicht nach unten und nach links neigte.
Dondra gab keine Antwort. Anscheinend empfand sie es als unter ihrer Würde, mit mir auch nur ein Wort zu wechseln. Ich war erst wenige Jahre am Hof, und der Adelstitel meiner Familie gehörte in eine Kategorie, die von vielen Hochwohlgeborenen als »Bodensatz« bezeichnet wurde.
Wir erreichten das Ende des Ganges. Dondra klopfte, bedeutete mir unwirsch, das Tor zu öffnen, und verschwand dann im Zwielicht des ausgehöhlten Korallenarms.
Die Scharniere quietschten, als ich eintrat. Im Zentrum des riesigen Raumes stand ein kreisrundes Bett, von dessen Baldachin schmale, sich ständig drehende Hölzer herabhingen. Von Zeit zu Zeit schlugen sie gegeneinander und erzeugten Töne, die mir unter die Haut krochen.
»Komm näher, junger Held«, hörte ich die spöttisch klingende Stimme Eirinyas. »Ich hoffe, du hast dem Alkohol nicht gar so sehr zugesprochen wie mein werter Gemahl?« Die Königin trat von der Seite her kommend auf mich zu. Sie trug ein weites Cape, das lediglich die Hände frei ließ. Ihr Gesicht war über und über mit verlockendem Magie-Glitzer bedeckt. »Ich nehme an, dass er mittlerweile quer über dem großen Tisch liegt und seinen Rausch ausschläft.«
Sie trat nahe an mich heran, ganz nahe, und hauchte mir ins Ohr. Sie roch nach Anis und nach etwas Fruchtigem, das ich niemals zuvor gerochen hatte. An meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut.
»Golpash schläft«, bestätigte ich und blieb stocksteif stehen.
»Er wird lange Zeit nicht aufwachen.« Ihre Zunge kitzelte die Spitze meines Ohrs und hinterließ ein Gefühl der Nässe. »Wir haben also ausreichend Zeit für uns. Ganz abgesehen davon, dass er traditionellerweise ohnehin nur zum Erntedankfest und am Tag des Bieranstichs den Weg in meine Kemenate findet, um dann trübsinnig herumzusitzen oder mit mir zu streiten. Er kommt lediglich zu mir, um den Schein zu wahren.«
Mit ihrer Rechten tastete sie über mein Hemd. Die schlanken Finger glitten zwischen die Lederbänder. Mit ihren langen, fein geschliffenen Nägeln kratzte sie über meine nackte Haut. So, dass es ein wenig wehtat.
Angenehm
wehtat.
»Du stehst so unbeweglich da«, beschwerte sich Eirinya mit rauchiger Stimme. »Willst du mich denn nicht wenigstens ansehen?«
»Es ist nicht richtig, dass ich hier bin. Laetico ist mein Freund. Golpash ist mein König ...«
»Und ich bin deine Königin«, unterbrach sie mich. »Zählen meine Wünsche gar nichts?«
»Doch, aber ...«
Da war es. Dieses Gefühl der Leere, das Vonlant angesprochen hatte. Es breitete sich in meinem Inneren aus und erzeugte unangenehmes Brennen. Mir war, als müsste ich ausbrechen und davonlaufen, ohne zu wissen, wohin.
»Es gibt kein Aber, schöner Fiomha. Du wirst mir gefälligst zu Diensten sein und jeden meiner Wünsche erfüllen.«
Eirinya ließ das Cape zu Boden gleiten. Darunter trug sie ... nichts. Und ihr Körper von der Farbe Elfenbeins war, entgegen den Vermutungen höfischer Verleumder, schlichtweg atemberaubend.
Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und küsste mich. Zärtlich anfangs, dann immer begehrender und gieriger. Als legte sie es darauf an, mir den Lebenshauch auszusaugen. Sie besprang mich und drückte ihren Leib mit niemals vermuteter Leidenschaft gegen mich. In dieser intimen Situation entpuppte sich die scheinbar so spröde Frau als Vulkan, der nur darauf wartete, auszubrechen und alles unter einem niemals erkaltenden Feuer zu begraben.
»Zum Bett«, murmelte sie zwischen zwei Küssen, »bring mich zum Bett ...«
Ich erwiderte ihre Leidenschaft, konnte nicht gegen Eirinyas Raffinesse angehen. Warum sollte ich auch? Die Königin wollte es, und ich hatte schon immer den Standpunkt vertreten, dass man die Feste feiern sollte, wie sie fielen.
Eng umschlungen landeten wir auf dem Bett. Fliegende Butterknospen umflatterten uns und seufzten begeistert auf, als wir übereinander herfielen. Die Hölzer schlugen gegeneinander und erzeugten wehmütige Musik, die kleinen fliegenden Liebesdienerinnen stöhnten im Chor mit der Königin. Wir gaben uns der Ekstase hin und vergaßen alles rings um uns.
Lange Zeit ging alles gut, wahrscheinlich für mehrere Menschenjahre. Der genaue Vergleich fehlte mir, denn die meisten Dinge im Elfenreich geschahen zeitlos. Es gab keine Jahreszeiten. Wir lebten in diesem permanenten Zwielicht einer Sonne, die sich meist hinter dünnen, diesigen Wolken verbarg. Während der Nacht war das Firmament mit
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