Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele
nicht nachlassen.«
Wir stiegen ab und gingen zum Zelt. Die römischen Soldaten wirkten ebenso angespannt wie wir. Ihre Waffen hatten noch niemals ein Schlachtfeld gesehen und dienten lediglich repräsentativen Zwecken.
»Tretet näher«, lud uns Galba ein, der seinen schattigen Platz in der Sänfte verlassen hatte. Wie bei unserem vorherigen Zusammentreffen vermied er den Blickkontakt und hielt einen Abstand von einer guten Körperlänge zu uns.
Prachtvoll verzierte Stühle standen bereit, mit dem
Rücken zur Längsseite des Zeltes, sodass uns die Sonne nicht blenden konnte. Viriatus, Pieva und ich setzten uns, Galba und der römische Praefect taten es uns gleich.
»Wir wollen noch ein Glas Wein trinken, bevor wir uns an die zeremoniellen Unterschriften machen«, sagte der Praetor.
»Einverstanden«, murmelte Viriatus sichtlich überfordert. Trotz seines strategischen Genies und seiner unbestrittenen Fähigkeit, die einfachen Menschen Ibarras für sich einzunehmen, fand er sich auf dem glatten Parkett der Diplomatie nicht besonders zurecht.
Aufmerksam musterte ich die Gefäße, die vor uns abgestellt wurden. Unsere drei unterschieden sich in Form und Maserung ein wenig von jenen, welche die Römer vor sich stehen hatten. Nun bereute ich, Cucurr in Numantia zurückgelassen zu haben. Der Bluthase hätte jedes Gift augenblicklich erschnuppert.
Vorsicht! Falle!
, schrie es in mir.
Sie wollen die Anführer der Celtibarra mit einem einzigen Handstreich fällen
. Ich spähte umher. Täuschte ich mich, oder glitzerten Sonnenstrahlen auf Metall, dort drüben, am Rand des nahen Waldes?
»Bei uns ist es Sitte«, sagte ich, einer plötzlichen Eingebung folgend, »dass bei derartigen Anlässen die Führer ihrer Völker die Humpen austauschen. Um zu beweisen, dass man bereit ist, alles miteinander zu teilen. Ich bitte Euch, Praetor, diesen alten Brauch zu achten.« Bevor einer der Römer Einwände erheben konnte, tauschte ich die Becher von Viriatus und Galba aus.
Der römische Praefect erhob keinen Einwand; er blickte starr geradeaus. Seine Hände krampften sich um das Holz des Tisches. Beweis genug für mich, dass unsere Widersacher Heimtücke geplant hatten – und dass der Soldat zumindest so viel Format besessen hatte, nicht mit Galbas Giftattentat einverstanden gewesen zu sein.
Galba wurde blass. Hilfe suchend wandte er sich an seinen Sitznachbarn, doch der saß ruhig da, die Hand verdächtig nahe an der Waffe.
Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des Praetor. Mit zitternden Fingern griff er nach dem Becher. Die Flüssigkeit schwappte über den Rand, als er das hölzerne Gefäß an seine Lippen führte.
»Auf dein Wohl, Servius Sulpicius Galba«, sagte indes Viriatus, als er völlig entspannt vom Wein kostete. »Mhm – ein guter Tropfen. Mein Kompliment an deinen Keltermeister ...«
»Genug mit dieser Farce!«, rief Galba. »Schnappt sie euch!« Er verteilte den Wein über dem Tisch, schleuderte den leeren Becher in meine Richtung und eilte auf seinen kurzen Beinchen davon, so rasch, dass ich es kaum glauben konnte.
Viriatus war der Erste, der reagierte und uns Elfen damit beschämte. »Eine Falle!«, rief er in Richtung seiner Truppen, zog die Waffe und hielt sie dem römischen Praefect an die Gurgel.
Das ruhige Bild, das Cituvia geboten hatte, wandelte sich. Chaos brach aus. Wiesenflecken flogen beiseite, und gut bewaffnete römische Soldaten stemmten sich aus Gruben hoch. Blitzschnell eilten sie auf unsere Truppen zu. Aus den Wäldern dröhnten Kampfschreie. Bis in den Wahnsinn gereizte Hunde stürzten sich auf die celtibarrischen Soldaten, Wolken von Pfeilen kamen von überall her und bedeckten den Himmel. Zu meinem Entsetzen sah ich, dass die ibarrischen Frontsoldaten gegen die eigenen Leute vorgingen. Galba hatte sie bestochen, hatte dafür gesorgt, dass sie für Geld oder sonstige Vergünstigungen ihr Land verrieten. Und ich, naiv wie ein Frischling, hatte nichts davon bemerkt!
»Römische Schweine!«, brüllte Viriatus, völlig außer sich. Er schlug dem Praefect den Kopf ab und schleuderte seinen Körper so weit wie möglich von sich. Dann stürzte er die schweren Tische um und kletterte darüber hinweg, um den dicken Praetor zu verfolgen.
Doch er kam nicht weit. Schlingseile fielen vom Dach des Zeltes herab, wanden sich um die Beine des Lusitaniers und brachten ihn zu Fall. Ich konnte ihm nicht zu Hilfe eilen, da die Verräter auch mich beschäftigt hielten. Hinter den Zeltplanen
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