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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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wachte er über mich. Er war ein letztes Stück Heimat, das ich mit mir führte.
    Immer weiter drangen die Römer in die Tiefen des Kontinents vor. Eine Reihe von besonders fähigen Feldherren führte erfolgreich Krieg gegen die Völker in Gallien und Britannien. Sie schoben die Imperiumsgrenzen immer weiter Richtung Norden und Osten, und ich wich ihnen aus, wo ich nur konnte. Ich fürchtete mich vor dem gut ausgebauten Netzwerk des Imperiums und wollte die Annuna-Götter nicht auf mich aufmerksam machen. Bellona und Quirinus hatten sicherlich ihre Spione ausgesandt, um meine Spuren zu finden. Zu jener Zeit waren Elfen in der Menschenwelt bereits sehr rar geworden. Ich fiel auf, wenn ich mich allzu oft in der Öffentlichkeit zeigte.
    Sagte ich Öffentlichkeit? Außer jenen städtischen Strukturen, die die Römer überall, wo sie hinkamen, hochzogen, gab es nur wenig Orte, die irgendeinen Reiz auf mich ausübten. Meist blieb ich für mich. Ich jagte in entlegenen hochalpinen Tälern, verdingte mich an der biskayischen Küste als Fischer, ernährte mich als Wildjäger und Gerber, unterrichtete die Söhne eines pyrenäischen Dorfhäuptlings und suchte nach Gold im entlegenen Ural. Ohne Weg und Ziel trieb ich umher, nur darauf bedacht, stets meine Spuren zu verwischen.
    Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte vergingen. Mehr oder weniger ereignislos flossen sie an mir vorüber, erzeugten keine besondere Resonanz.
    Ab und an passierte ich ein Tor, das das Menschenreich mit der Anderswelt verband. Dann verweilte ich ein wenig und sah zu, wie die in vielen Teilen Europas verstreuten Druiden und Schamanen seltsame Beschwörungen vor sich hin murmelten. Auch sie, die sich als Hüter der Übergänge betrachteten und in vergangenen Zeiten eine besondere Bedeutung als Wächter innegehabt hatten, vergaßen allmählich ihre Existenzberechtigung. Sie verlegten sich auf sinnentleerte Rituale, in denen nur noch rudimentäres Wissen über ihre eigentlichen Aufgaben durchschimmerte.
    Dennoch sah ich ihnen gerne zu, und auch sie akzeptierten meine Nähe. Sie wussten viel über die Natur der Dinge, und sie verstanden sich darauf, Stimmungsbilder der Menschen richtig zu deuten. Aber sie reagierten sehr empfindlich auf fremde Einflüsse und standen ihnen meist hilflos gegenüber. Nur wenige Druiden begriffen und akzeptierten Veränderungen. Viele hundert Jahre später würde ihr Glauben genau dieser ... Schwerfälligkeit zum Opfer fallen.
    Zwischen den Steinkreisen, die sie an vielen Toren errichtet hatten, erschien ab und zu ein Glimmern. Spiegelungen oder Irrbilder aus der Anderswelt, meiner früheren Heimat. Manchmal sah ich sogar Wesen, die mir zuwinkten. Mir schien, als wollten sie mich auf ihre Seite locken. Es handelte sich um Wirrspiegler und Tanzgrazien. Kleine, ätherische und mitunter böse Geschöpfe, die sich in den Köpfen ihrer Opfer einnisteten und als Schmarotzer von deren Gedanken lebten. Sie konnten selbst Elfen gefährlich werden und den Geist so lange besetzen, bis von ihren Wirtskörpern nur noch leere Hüllen übrig blieben. Ich widerstand der Versuchung und blieb, wo ich war. Isoliert und einsam, ohne jeglichen Kontakt zur Umwelt.
    Wenn ich genug gesehen hatte und mich die Wehmut packte, zog ich weiter, hinein ins Unbekannte. Nur ja nicht stehen bleiben, hieß meine Devise, bloß nicht auffallen.
    Irgendwann, irgendwie fand ich mich an einem bekannten Ort wieder. Rings um mich zeigte sich die Einöde eines verlassenen Landes. Halb verfallene Ruinen erhoben sich zwischen unbewirtschafteten Feldern. Wilde Hunde zogen in Rudeln umher, einige Rauchschwaden zeugten von Leben jenseits des Horizonts.
    Warum war alles hier so fremd – und dennoch so bekannt? Welcher Instinkt hatte mich in diese Gegend geführt?
    Ich wanderte umher, versuchte mich zu erinnern. Doch die zerstörten Häuser gaben mir keine ausreichenden Hinweise. Erst als ich auf die Reste einer einstmals stolzen Mauer stieß, wusste ich: Ich war nach Numantia zurückgekehrt! Ich stand unmittelbar neben dem Tor, das mich vor langer, langer Zeit in die Menschenwelt gebracht hatte.
    Ein sanfter Lichtschleier hatte sich um diesen mystischen Ort gelegt. Der Durchgang war offen.
    Ich konnte zurück nach Hause.
    Das Urteil König Golpashs hatte »lebenslänglich« gelautet. Doch der Zeitbegriff der Elfen ließ Interpretationen zu. Und so endlos langsam sich die Dinge in der Anderswelt auch ändern mochten – auf der Erde waren Jahrhunderte vergangen, seitdem ich das Reich

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