Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele
des Halbelfen dachte. Er atmete tief durch. »Verwirrende Dinge waren durch die ... Geburt meiner Seele vor sich gegangen. Ich konnte meinem Urteilsvermögen noch nicht richtig vertrauen und beging Fehler über Fehler. Bei der Zusammenstellung unseres Begleittrupps nach Cituvia baute ich auf die falschen Menschen. Die Männer der Vorhut, die die Wälder durchsuchen sollten, hatten sich von Galba bestechen lassen. Nur durch meine Gutgläubigkeit gerieten wir in diese Falle, aus der es kein Entkommen gab.« Fabio trank einen Schluck. Er genoss die Wärme des Alkohols. »Dann forderte ich von Viriatus und Pieva, mir zu vertrauen, als wir über die Klippe sprangen. Auch in diesen Augenblicken glaubte ich, die Situation unter Kontrolle zu haben.« Fabio reichte der Stewardess das leere Glas. »Aber ich irrte mich. Pieva starb aufgrund meiner Fehleinschätzung. Er wurde von spitzen Felsen aufgespießt, vom Aufprall auf dem Wasser getötet oder ist mitsamt seiner Rüstung untergegangen – ich kann es nicht sagen.«
»Und Viriatus?«
»Ihn brachte ich heil zurück an Land, und gemeinsam suchten wir das Versteck des Goldes auf. Wir hatten die Münzen wohlweislich auf halbem Weg zwischen Numantia und Cituvia vergraben. Viriatus nutzte die Sesterze zur Aufbesserung seiner Kriegskasse. Von diesem Tag an kämpfte er mit einer noch größeren Besessenheit.«
»Was geschah mit dem Praetor?«
»Galba wurde wenige Wochen nach der Schlacht bei Cituvia von seinem Amt aus Hispania Citerior abberufen. Die beiden Annuna-Götter entzogen ihm ihrer Gunst, und er verschwand in der Bedeutungslosigkeit.«
»Hast du weiterhin an Viriatus’ Seite gegen die Römer gekämpft?«
»Nein. Weder er noch ich wollten es. Seine Beweggründe, mich aus Numantia wegzuschicken, sind einfach erklärt: Er vertraute mir nicht mehr. Meine hochtrabenden Pläne von einem Zweckfrieden mit den Römern hatten sich als aussichtslos erwiesen. Viriatus zweifelte – zu Recht – an meinen Menschenkenntnissen und verließ sich nur noch auf seine eigenen Instinkte.« Fabio wehrte die bitteren Erinnerungen ab, die neuerlich hochzukommen drohten. »Wenige Jahre später brachte er den Römern bei Córdoba eine verheerende Niederlage bei, die sie 3000 Menschenleben kostete. Dies sollte der größte Triumph des Lusitaniers bleiben, denn nur ein Jahr später wurde er von bestochenen Gefolgsleuten ermordet. Und damit endete der Aufstand der Celtibarra. Nur in Numantia wollte man sich nicht beugen. Die Stadt wurde erst im Jahr 134 vor Christus, sechs Jahre später, von Scipio dem Jüngeren geschleift. Der Römer ließ alle ansässigen Männer töten. Frauen und Kinder verkaufte er in die Sklaverei. Ich war damals allerdings längst woanders ...«
»Du machst es mir nicht leicht«, sagte Nadja leise. »Ich habe mir meinen Vater niemals als erbarmungslosen Kämpfer vorgestellt, der andere Menschen abschlachtet.«
»Es war eine andere Zeit mit anderen Sitten. Selbst ich denke nicht gerne an jene Tage zurück. Und ich bereue jeden Toten, der auf mein Konto geht.« Fabio blickte auf seine Hände. Sie zitterten leicht.
»Aber du kommst damit zurecht.«
»Ich
muss
. Die Erinnerungen sind nur ein Abklatsch dessen, was mir damals widerfahren ist. Irgendwann fand ich den notwendigen Abstand, um mit meiner eigenen ... Geschichte umgehen zu können.«
Er erwähnte nichts von den schlaflosen Nächten. Von den Schweißausbrüchen, Albträumen und Angstzuständen, die ihn manchmal überfielen.
Nadja atmete tief durch. »Wie ging es weiter?«
»Was meinst du?«
Seine Tochter nestelte an ihrem rechten Ohrläppchen. Das tat sie immer, wenn sie unsicher war. »Wir haben gerade mal die Halbzeit unseres Fluges hinter uns. Ich möchte, dass du mir deine ganze Geschichte erzählst. In einem Rutsch. Anders, befürchte ich, ertrage ich es nicht.«
Fabio streichelte seiner Tochter zärtlich über die Wangen. Nadja war so voller Emotionen, so voll ... Seele.
»Einverstanden, meine Kleine.« Er lächelte. »Es tut gut, darüber zu reden. Ich hatte seit langer Zeit nicht mehr die Gelegenheit dazu, und, das kannst du mir glauben, ich hatte viele schreckliche Dinge zu erleben. Aber es gab auch Schönes. Wunderschönes. Unter anderem ein Treffen, das alles andere überstrahlte ...«
Ich verließ die Iberische Halbinsel und wanderte ziellos umher, mit dem treuen Cucurr als einzigem Begleiter. Der Bluthase fühlte meine Unruhe, und er wich kaum von meiner Seite. Auf eine seltsame Art und Weise
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