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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Vater gekuschelt, hing sie ihren eigenen, düsteren Gedanken nach.
    War ihre emotionelle Situation in irgendeiner Form mit jener vergleichbar, die Fabio vor mehr als tausend Jahren durchgemacht hatte? Erwartete sie ein ähnlich schreckliches Schicksal, wenn sie sich allzu intensiv mit David einließ? Hatte ihre Verbindung mit dem Elfen denn irgendeine Aussicht auf Erfolg? Auf Glück?
    Ihr Vater hatte Dinge erlebt und überlebt, die ihr höchste Bewunderung abrangen. Er besaß Willenskraft und ein ungewöhnliches Durchhaltevermögen. Anders war nicht zu erklären, wie er die vielen schwierigen Phasen seines Lebens durchgestanden hatte.
    »Woran denkst du, meine Kleine?«, fragte Fabio.
    »An nichts Besonderes«, log sie. »Ich versuche, meinen Kopf freizubekommen, um den Rest deiner Erzählung zu hören.«
    Sie blickte auf die große Anzeigetafel. Der Weiterflug nach Palermo war auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine Gruppe anderer Passagiere, die so wie sie in Neapel festsaßen, hatte sich indes um den Informationsschalter geschart. Stimmen wurden laut. Ein dicker Mann gestikulierte mit Händen und Füßen, seine Begleiterin drosch mit einem Holzfächer auf den Schalter ein, und zwei Carabinieri mischten lautstark in der immer heftiger werdenden Diskussion mit. Ein typisches süditalienisches Durcheinander entstand.
    Nadja lächelte. Es würde wohl eine Zeit lang anhalten.
    »Also gut«, sagte sie nach einer Weile und wandte sich wieder ihrem Vater zu. »Wie ging es nach dem Tod Julias weiter? Konntest du dich an Bellona rächen?«
    »Rächen? Nein. Bellona verschwand wie ein Schatten und ließ sich niemals mehr in der Stadt blicken. Sie hatte erreicht, was sie wollte, und wandte sich wohl anderen ... Zielen zu.« Fabio nahm seinen Arm von Nadjas Schulter, stand auf, streckte sich und schüttelte seine Beine aus, bevor er mit seiner Erzählung fortfuhr. »Ich atmete und ich aß, also führte ich in gewisser Weise ein Leben. Doch es ergab kaum noch einen Sinn ...«
    Der Name »Venezia« bürgerte sich für die stetig wachsende Lagunenstadt ein. Ich hatte ein anderes Wort im Kopf gehabt, doch niemand hörte auf mich. Man ließ mich in Ruhe in meinem kleinen Haus vegetieren, das ich wie geplant in unmittelbarer Nähe der stärksten Energielinie errichtet hatte.
    Dort durchlebte ich viele miserable Tage, und ich genoss einige wenige, an denen ich bei klarem Verstand war. Dann traute ich mich vor die Tür und beobachtete, wie eine neue Generation von Städteplanern, Architekten und Baumeistern meine Pläne vollendete oder eigene Ideen einbrachte. Längst hatte sich eine Eigendynamik entwickelt, längst wucherte die Stadt in alle Richtungen. Erste vielversprechende Handelsbeziehungen mit Byzanz wurden aufgenommen. Der nordafrikanische Raum erwies sich angesichts der Rohstoffe, die von dort zum europäischen Festland transportiert werden sollten, als wahre Goldgrube. Zudem schöpften die Venezianer aus dem Reichtum, den ihnen die Lagune bot. In großem Maßstab bauten sie Salz ab und belieferten halb Europa damit.
    Aufgrund der geschützten Lage Venedigs konnten die Wachtruppen klein gehalten werden. Auch wenn er Generationen zurücklag, hatten die Stadtväter doch aus dem Kampf um die Villa des Gaius Albus gelernt. Sie schickten ihre Spione nach allen Himmelsrichtungen aus und hielten Augen und Ohren offen. Wer auch immer vorhatte, Venedig zu überfallen, scheiterte bereits im Vorfeld.
    Bellona blieb, wie gesagt, wie vom Erdboden verschwunden. Niemand wollte mir helfen, ihre Spur aufzunehmen und Rache zu nehmen. Man nannte mich
il matto
, den Verrückten, und nahm meine Worte nicht mehr ernst. Die kurzlebigen Menschen vergaßen mich allmählich, die Wesen der Anderswelt verdrängten meine Existenz. Ich wurde zum Teil eines Mythos, der viele Jahre später auch in der Literatur seinen Niederschlag fand – doch ich greife vor.
    Antonius’ Ururenkel wurde zum ersten nominellen Führer der Stadt. Sein Ehrentitel lautete
Doge
, also Führer. Er wurde unter dem Namen Paolo Lucio Anafesto bekannt, und er bereitete Venedig erfolgreich auf die anstürmenden Langobarden vor. Ich beobachtete die Kämpfe aus der Ferne, ohne einzugreifen.
    In guten Stunden erschien mir die Stadt wie ein Wirklichkeit gewordener Lebenstraum. Menschen und Elfen brachten gleichberechtigt ihre ganz speziellen Talente ein. Beide Seiten ergänzten sich und gebaren eine Gesellschaft, die für ihre Offenheit und ihre Talente viele Jahrhunderte lang als

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