Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
Stimme war sanft gewesen in jenem Moment, fast schon unterwürfig.
»Jetzt weißt du es«, hatte Bandorchu gesagt. »Und ich erwarte, dass du in Zukunft mein Urteil abwartest, ehe du in meinen Mauern deine Macht gegen einen meiner Untertanen einsetzt.«
Daraufhin hatte der Getreue den Kopf ein Stück gehoben, und einen Moment war es Ainfar gewesen, als wolle er widersprechen, als käme es zu einem Kräftemessen zwischen ihm und der Herrscherin. Einen scharfen Atemzug lang hatte unerträgliche Spannung in der Luft gelegen. Doch dann hatte der Dunkle eine Verbeugung angedeutet. »Wie Ihr es wünscht, Herrin.«
Ein Lächeln war auf Bandorchus Gesicht erschienen. Zufrieden hatte sie den Dunklen gemustert und dann eine Hand auf seine Brust gelegt. Schaudernd war er vor ihr auf die Knie gesunken.
Dann hatte sie sich Ainfar zugewandt, und etwas von der vorherigen Kälte war in ihren Blick zurückgekehrt. »Und nun zu dir, du neugieriger kleiner Störenfried ...«
Seither lebte er in diesem Käfig, außer wenn die Königin ihn mit sich nahm. Diese Gelegenheiten schienen allerdings zuzunehmen. Zudem kümmerte sie sich jetzt stets persönlich um ihn, anstatt ihn Melemida zu überlassen. Das gab ihm mehr Gelegenheiten, sich an sie zu schmiegen und sie mit seinem weichen Fell zu liebkosen oder sie mit seinen großen Knopfaugen anzusehen und all die kleinen Gesten zu vollführen, von denen er wusste, dass sie Bandorchu in Entzücken versetzten. Trotz des Käfigs war er sicher, ihre Zuneigung wiedergewonnen oder sogar über das alte Maß hinaus gesteigert zu haben.
Aber was nützt mir das, wenn ich keinen freien Moment unbeobachtet bin?
Er war in mehr als einer Hinsicht aufgewacht, als er das Bewusstsein nach seinem Sturz wiedererlangt hatte. Plötzlich war ihm klar geworden, dass er sich erneut vergessen hatte. Wieder war sein eigentliches Ziel aus seinen Gedanken gedrängt worden durch das Leben, das er hier führte – nur war er dieses Mal in Glückseligkeit statt Lethargie versunken. Wäre seine Neugier nicht gewesen, vielleicht wäre es ihm nie mehr bewusst geworden.
Und nun weiß ich Dinge, die für Fanmór und das Reich der Crain lebenswichtig sind, und kann sie nicht weitergeben. Ich kann nicht einmal nach einem Weg suchen, es zu tun.
Wären es nur die Gitterstäbe gewesen, hätte sich Ainfar leicht in etwas noch Kleineres verwandeln können, um hinauszuschlüpfen. Doch mit ihrem Siegel hatte die Königin einen Bann um den Käfig gelegt, der ihm nicht einmal erlaubte, die Nase zwischen den Stäben hindurchzustecken. So half es ihm auch nicht, dass niemand ahnte, wie er wirklich in Bandorchus Zimmer gelangt war.
Wäre er frei gewesen, hätte er alles Wissen sammeln können, das Fanmór brauchte. Das Netz dieser kleinen Schlitze, die in der Zitadelle verteilt waren, hätte ihm erlaubt, unbemerkt überallhin zu gehen, alles zu belauschen und zu beobachten...
Und wozu? Mit wem willst du dein Wissen teilen?
Ainfar ließ den Kopf hängen, trottete in die Mitte des Käfigs und rollte sich zusammen. Solange er keinen Weg fand, Verbindung zu Regiatus aufzunehmen, war das Sammeln von Wissen nur ein Vorwand, um dem Leben im Schattenland einen Sinn vorzuschieben. Und er führte nicht das schlechteste Leben, musste Ainfar zugeben. Er hatte keine Verpflichtungen, außer die Königin zu erfreuen, konnte mit ihr an der Tafel speisen und in seinem goldenen Käfig auf einem Lager aus Seidenstoff und weichem Nymphenhaar schlafen.
Der einfachste Weg wäre, dem Vergessen nachzugeben und ganz zu dem zu werden, was er zu sein vorgab. Er würde ohnehin nie einen Weg hinaus finden. Nichts verließ das Schattenreich, außer denen, für die die Königin mühsam ein Tor öffnete.
Aber muss ich denn selbst gehen? Sie schickt Diener, die in ihrem Auftrag handeln – könnte ich nicht ebenso einen Boten schicken?
Warum sollte es nicht möglich sein? Sie erschuf die Tore hier, in ihren Gemächern. Er konnte versuchen, in solch einem Moment etwas hinauszuschmuggeln. Aber dafür musste er erst aus diesem Käfig herauskommen. Er brauchte Freiheit... und musste der Königin womöglich noch näher kommen.
»Hier, mein Kleiner. Ein Nachtisch.« Zwischen ihren schlanken Fingerspitzen hielt Bandorchu ihm eine Wurzel hin.
Ainfar saß neben ihrem Teller in der Mitte der oberen Tafel, an der er selbst früher einmal bedient hatte. Andere begleiteten jetzt die Schüsseln und Platten mit ihrem Singsang und legten der Königin und ihrem Hofstaat vor.
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