Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
sonst hätte ich euch nicht so ungeschützt hierher gelassen. Damit sind wir aber am Ende unserer Befunde.« Er verschränkte die Arme, lehnte sich mit dem Rücken gegen die geschlossenen Laden und musterte über den Toten hinweg Rian mit scharfem Blick. »Und damit komme ich zu euch. Was wisst ihr darüber?«
»Wir...«
David legte Rian eine Hand auf die Schulter, und sie verstummte.
»Es ist ein Gen-Defekt«, sagte der Prinz. »Es liegt in der Familie. Wir wissen es, weil wir Bekannte der Großmutter des jungen Mannes sind. Nur wenige bekommen die Krankheit, und bei denjenigen, die sie haben, wird der Effekt nur ausgelöst, wenn sie zu lange ins Sonnenlicht geraten.«
Rian bemühte sich, ihr Erstaunen nicht zu zeigen. Das war eine gute Umschreibung. Hatte David vorhin nicht in einem Medizinjournal geblättert?
Lindström runzelte die Stirn. »Davon habe ich noch nie gehört.«
»Die Familie wohnt im Niemandsland, weit im Norden«, brachte David als Erklärung vor. »Ich glaube, es ist kein weiterer Fall bekannt.«
Der Arzt presste die Lippen zusammen und sah auf Murtik hinunter. »Was gibt es sonst noch?«
Rian wechselte einen auffordernden Blick mit David, der unmerklich nickte. »Ich teile gern mein Wissen mit dir.« Dann lenkte er die Aufmerksamkeit des Arztes voll auf sich, drehte ihn vom Tisch weg und fing an zu schwadronieren.
Rian, die nun unbeachtet war, legte die Hände so an die Schläfen des Trolls, dass die Daumen die Augenwinkel berührten, und beugte sich über sein Gesicht. Durchscheinende goldgrüne Fäden ihrer ureigensten Magie lösten sich von ihren Fingern und sanken in den Kopf des Trolls ein. Rian konzentrierte sich auf das Bild auf seiner Netzhaut, zog es zu sich, in ihre eigenen Augen. Nach einem kurzen Moment des Schwindels sah sie gleichzeitig den Troll und sich selbst.
Sie öffnete sich jetzt ausschließlich ihrem sechsten Sinn, der ihr erlaubte, in die Vergangenheit zu blicken, und hielt sich dabei am Blick des Trolls fest. Sie kannte diese Erinnerungsmagie bisher nur in der Theorie, hatte sie noch nie ausprobiert. Die Lehrer hatten deutlich gemacht, dass dieses Talent, in die Erinnerungen eines Toten zu blicken, nur sparsam angewandt werden durfte.
Die Gegenwart war der Fixpunkt, und Rian durfte nicht zu weit zurückgehen, wollte sie bei klarem Verstand bleiben. Da Murtik bereits seit über einem Tag tot war, musste sie die Grenzen ihrer ungeübten Fähigkeiten allerdings neu definieren.
Rian kämpfte sich durch Stunden der Dunkelheit, die nur gelegentlich durch verschwommene Bilder der Untersuchungen durchbrochen waren. Wieder wurde es hell, Bewegung war um den Troll herum zu sehen, und ein Blitz zuckte auf. Dann verschwand die Bewegung, aber es blieb hell.
Plötzlich klärte sich der Blick, und Rian starrte in einen hellblauen Himmel, über den dünne weiße Wolkenschleier zogen. Erschreckend lang blieb das Bild nahezu unverändert, bis auf den Sonnenstand, der sich immer mehr zur Seite näherte. Der Teil Rians, in dem noch Platz für solche Gedanken war, war schockiert von der Erkenntnis, dass der Tod des Trolls sich über Stunden hingezogen hatte.
Und während der ganzen Zeit hat er genau gewusst, was mit ihm geschieht!
Als die Sonne bis zum Rand des Sichtfeldes hinabgesunken war, änderte sich der Blickwinkel. Auf der Reise rückwärts drehte Murtik den Kopf zur Seite, wo zwei Männer ihn anstarrten, als sähen sie einen Geist. Zwei normale Durchschnittsmenschen, wären nicht die beiden Automatikpistolen in ihren Händen gewesen. Murtik richtete sich auf.
Die Geschehnisse entfalteten sich weiter rückwärts laufend vor Rian und waren für sie zugleich in ihrer Gesamtheit gegenwärtig. Ein Stechen in ihrer rechten Bauchgegend irritierte sie, doch sie schob es beiseite. Sorgfältig prägte sie sich jedes neue Bild ein, das ihr wichtig erschien. Immer schwerer wurde es, die Grenze weiter zurückzuschieben, und schließlich spürte sie, wie die Fülle der Bilder sie zu erdrücken begann.
Langsam entfernte Rian sich wieder aus den Erinnerungen des Toten. Mit einem leisen Seufzen schloss sie die Lider und richtete sich auf. Sie spürte das leichte Ziehen, mit dem die Fäden ihrer Magie sich streckten und schließlich rissen, als sie ihre Hände vom Kopf des Trolls löste.
»Wirst du uns dabei helfen?«, hörte sie David fragen.
Rian öffnete die Augen. Einen Moment hatte sie Schwierigkeiten, zu fokussieren. Zudem fühlte sie sich wie nach einem Tausendmeterlauf. Die
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