Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
gering standen, dass sie Yggdrasil und den dort hausenden Drachen Nidhögg überhaupt erreichten. Behutsam strich sie über ihren Bauch; er spannte schon leicht, und die Hose wurde allmählich eng. Obwohl das Kind in diesem Stadium von einer Bohne höchstens zu einem Würmchen herangewachsen sein konnte, schickte sie ihm ein paar zärtliche Gedanken.
Ich und dein Vater, wir lieben dich. Du bist erwünscht. Wachse in Ruhe heran und bereite dich auf die Welt vor. Du wirst einige Überraschungen erleben – aber nicht alles davon wird schlecht sein
.
Sie gähnte und kratzte sich müde am Arm. Obwohl es erst auf zehn Uhr zuging, entschloss sie sich, zu Bett zu gehen. In den nächsten Tagen wollte sie den Ätna gründlich erforschen, gemeinsam mit Fabio. Ihr Vater hatte bisher via »Elfenkanal« nichts herausgefunden; der Getreue schien verschwunden zu ein, wie vom Erdboden verschluckt, und ebenso unauffindbar waren Pirx und Grog. Vielleicht hatten sie sich getäuscht, und der Mann ohne Schatten war gar nicht unterwegs nach Sizilien. Aber sie durften kein Risiko eingehen, etwas ging hier vor sich, was sie genauer untersuchen mussten. Nadja merkte es an der allgegenwärtigen Asche, diesem feinen schwarzen Sand, der immer aufdringlicher wurde, die Menschen bis in ihre Häuser hinein verfolgte, durch winzige Ritzen und Öffnungen hereinhuschte und sich über alles legte.
Auch im Zimmer war ein Hauch von glitzerndem Schwarz erkennbar, obwohl Natalia zweimal am Tag schimpfend mit dem Staubwedel durchs Haus ging.
Das Bett sah sehr einsam aus. Wenn Nadja sich hineinlegte, würde sich dieser Eindruck noch verstärken. Aber es half nichts, sie war müde und wollte den Großeltern Ruhe gönnen, anstatt weiter durchs Haus zu geistern. Am Ende würde man das noch für eine Schwangerschaftslaune halten – und das wäre das Letzte, was sie suggerieren wollte. Außerdem sollte Fabio nicht den Eindruck erhalten, dass sie ihn kontrollierte, wenn sie jetzt aufblieb und damit sozusagen auf ihn wartete.
Licht aus
, entschied sie,
auch nicht mehr lesen. Weg mit allen Gedanken, vor allem mit denen über David
. Wie es mit ihnen beiden weitergehen sollte, wusste sie nicht, doch es hatte keinen Sinn, jetzt darüber zu sinnieren. Das änderte ja doch nichts.
Eine Weile blickte sie durch das gegenüberliegende Fenster, hinter dem die schlummernde Insel lag. Sizilien könnte ein reiches Land sein, es besaß alles – fruchtbaren Boden, Wasser, Nähe zum Kontinent und sehr viel Sonnenschein. Ein Paradies, doch nur für wenige Privilegierte, die nach wie vor alles eisern im Griff hielten und kontrollierten.
Nichts für mich
, dachte Nadja im Wegdämmern,
aber offensichtlich ein gutes Versteck für meine Mutt.
..
Was sich plötzlich änderte, konnte Nadja nicht sagen – doch schlagartig war sie wach. Eiskalter Schrecken durchfuhr ihre Glieder, und für einen Moment glaubte sie, den Getreuen bei sich zu spüren. Doch die Kälte war nur in ihr, nicht im Raum.
Etwas
war trotzdem anwesend. Sie hörte ein leises Tapsen und Schnauben. Immerhin war das Etwas, den Geräuschen nach zu urteilen, wohl nicht allzu groß.
Nadja öffnete halb die Lider, ohne sich sonst zu regen, und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. Ihr Herz blieb fast stehen, als sie einen unförmigen Schatten vor dem Fenster vorbeihuschen sah, der kurzzeitig den Raum vollständig verdunkelte und die Sicht nach draußen versperrte. Das passte überhaupt nicht zu den vorherigen Geräuschen. Also waren
zwei
Fremde im Raum!
Todesangst ergriff sie, und sie wollte schreien, doch kein Laut drang aus ihrer ausgedörrten Kehle. Es war Unsinn, sich tot zu stellen; die beiden Wesen wussten, wo sie war. Warum sonst sollten sie gekommen sein, wenn nicht wegen ihr? Aber wie waren sie ins Haus gelangt? Das Fenster zu ihrem Zimmer war geschlossen, auch die Tür.
Etwas zupfte an ihrer Bettdecke. Dann sah sie ein winziges, groteskes Wesen, dem Spriggans nicht unähnlich, heraufkriechen. Es hatte riesige fahlbleiche Augen, die in der Dunkelheit glühten, und bewegte sich auf dürren, spinnenartigen Gliedern. Leise schmatzte und schnaubte es, als würde es wittern und sich schon auf Beute freuen.
Ich schreie
, dachte Nadja und spürte, wie ihr kalter Schweiß über die Stirn lief.
Gleich schreie ich, ganz bestimmt!
Innerlich schüttelte es sie vor Ekel, als sie Speichelfäden glitzern sah. Am besten griff sie einfach nach dem Ding, zerquetschte es zwischen den Fingern und schleuderte es
Weitere Kostenlose Bücher