Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
verzehrend schöne Katastrophe, die niemanden unberührt lässt. Ich nenne es Zeit der Asche, wenn er wieder einmal grummelt.«
»Er ist momentan erneut aktiver, nicht wahr?« Nadja hatte schon festgestellt, dass permanent feiner schwarzer Staub über allem lag; Autos, Fenster, Inneneinrichtung, selbst auf der Kleidung nach einem Spaziergang.
Max nickte. »Ja, seltsame Dinge gehen vor sich. Erst kürzlich starb ein Tourist auf dreitausend Metern Höhe. Wie es aussah, verunglückte er, verletzte sich ein Bein und konnte nicht mehr zurück. Er schickte noch einen Hilferuf per Handy, aber bis Rettung eintraf, war er bereits erfroren. Die Nächte dort oben sind eiskalt um diese Jahreszeit, auch die Skigebiete sind noch offen. Bis zu zwei Meter Schnee können fallen.«
»Ich muss dorthin«, murmelte Nadja. »Schon bald.«
»Ja, wir sollten einen Ausflug machen«, stimmte Max zu. »Ich kann dir abseits der touristischen Wege eine Menge zeigen.«
Je länger Nadja den Vulkan anschaute, desto stärker hatte sie das Gefühl, er würde sie in seinen Bann schlagen, sie an sich ziehen und einsaugen wie ein Wasserstrudel eine Nussschale. Sie hatte sich inzwischen an die leicht verschobene, doppelte Sicht darauf gewöhnt. Allerdings wirkte der Berg dadurch nur noch wuchtiger, als ob er die ganze Insel bedecken wollte. Wie ein Krebsgeschwür tasteten sich seine Ausläufer auf diesem Bild immer weiter voran, bis zum Meer …
»Dazu müssen wir aber Fabio mitnehmen«, sagte Nadja gedankenverloren. »Er war schon lange nicht mehr hier und hat bestimmt alles vergessen, was er sich je angeschaut hat.«
»Klar.« Max grinste, zögerte dann jedoch. »Sag mal, dein Vater … ist er in Ordnung?«
»Sicher.« Sie wollte nicht weiter darauf eingehen.
Aber Max ließ nicht locker. »Ich meine nur …«
»Hör zu«, unterbrach Nadja ungehalten, »meine Mutter ist damals gegangen. Er hat jahrelang nach ihr gesucht, und ganz nebenbei musste er mich noch aufziehen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
»Entschuldige, ich wollte nicht schlecht über ihn reden, aber du musst mich verstehen.«
»Es ist schön, dass du Donna Letitia beschützen willst, aber in diesem Fall nicht notwendig. Meine Eltern kommen schon allein klar. Ich mische mich da nicht ein und erlaube mir auch kein Urteil.«
Max zog es daraufhin vor, zu schweigen, und sie holperten zurück zu den Großeltern. Erst kurz vor dem Haus sagte er: »Darf ich dich mal in München besuchen?«
»Na, du kannst Fragen stellen.« Sie lachte. »Logisch, Max. Du darfst sogar bei mir wohnen, auf der Couch ist genug Platz.«
Er nickte, aber sein seltsamer, undeutbarer Gesichtsausdruck beunruhigte Nadja. Er schien sich Gedanken über etwas zu machen. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, danach zu fragen. Nadja hatte gelernt, dass man Geheimnisse erst dann erfuhr, wenn ihr Träger zur Offenbarung bereit war.
Nach dem Abendessen zog Nadja sich auf ihr Zimmer zurück. Fabio war mit Max ins Waisenhaus gefahren und würde schon irgendwie zurückkommen. Die Großeltern waren froh, dass auf dem Anwesen allmählich Ruhe einkehrte. Am meisten freute sich Sesta, die Molosser-Hündin, wieder ganz »Herrin des Hofs« zu sein.
Trotz Roberts Warnung schickte Nadja eine kurze SMS an sein neues Handy, weil sie nichts von ihm hörte. Wie erwartet blieb auch diesmal eine Antwort aus. Tom hingegen hatte sie gleich am Ohr, doch er hatte nichts Neues zu berichten – was ein Glück war. Nadjas Wohnung war in Ordnung, Tom hatte gerade einmal keinen Liebeskummer, und sein Buch würde wohl bald erscheinen. Die venezianische Contessa, Witwe des Conte del Leon – Sohn des Cagliostro, was niemand je erfahren durfte –, hielt sich mit ihrem Vater immer noch irgendwo am Comer See auf, in einem Wellness-Hotel mit psychologischer Betreuung. Die ersten Filmangebote für Toms Werk waren bereits eingetroffen, und die Vorbestellungen sahen auch gut aus. Tom hatte mit seinem Stil und dem Aufbau der tragischen Geschichte wohl genau den richtigen Nerv getroffen. Dann würde das Buch sicher entsprechende Abnehmer finden.
Danach arbeitete Nadja ein wenig an ihrem Laptop, ordnete Fotos und vermisste David mit einer schmerzlichen Intensität, die ihr das Wasser aus den Augen presste. Doch sie riss sich zusammen. Das Cairdeas an ihrem Handgelenk gab keine Warnung, es fühlte sich entspannt und warm, lebendig an. Den Zwillingen ging es sicher gut.
Nadja hoffte, dass sie Erfolg im Norden hatten, wenngleich die Chancen
Weitere Kostenlose Bücher