Elfenzorn
der Stadt, denn es blieb nicht bei der kleinen Armee, die sie begleitete. Mehr und mehr Menschen (und andere Geschöpfe) kamen ihnen entgegen, als sie sich der Stadt näherten, und es wurde trotz allem zu einer Art Triumphzug, auch wenn Pia bald nicht mehr sicher war, wem der allgemeine Jubel und das Winken und Fahnenschwenken wirklich galten. Zumindest die, die ihnen nahe genug kamen, um sie tatsächlich zu sehen, blickten sie ganz und gar nicht alle begeistert oder gar ehrfürchtig an. Viele wirkten überrascht und erstaunt, und der eine oder andere hörte auch auf zu jubeln und starrte sie stattdessen mit offenem Mund an.
Vielleicht lag es einfach an ihrem abenteuerlichen Outfit.
Auf dem letzten Abschnitt mussten ihre Begleiter ihnen schon fast gewaltsam den Weg bahnen, und schließlich saßen sie ab und bildeten auf Alicas Befehl hin einen lebenden Kordon, der zu einem kleineren Gebäude unweit der titanischen Pyramide im Herzen der Stadt führte. Während Pia sich erschöpft von Flammenhufs Rücken gleiten ließ, warf sie der gewaltigen Treppe einen Blick zu, über dessen genaue Bedeutung sie sich nicht einmal selbst ganz im Klaren war. Schon die bloße Vorstellung, bei der momentan herrschenden Hitze und in ihrem Zustand die zahllosen Stufen bis zur Spitze der Sonnenpyramide hinaufzugehen, jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken; aber ein Teil von ihr empfand auch eine absurde Enttäuschung. Sie konnte es nicht begründen, aber sie spürte einfach, dass es dort oben etwas gab, was sie rief. Es war ein wenig wie damals, als sie den schwarzen Turm im Herzen von WeißWald das erste Mal gesehen hatte, nur … intensiver. Drängender. Wäre sie nicht so müde gewesen, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, wäre sie vielleicht trotz allem hinaufgestiegen.
Pia schloss instinktiv die Augen, als sie unter dem tonnenschweren steinernen Türsturz hindurch ins Innere des Gebäudestraten, denn sie hatte erwartet, dass es hier drinnen dunkel wäre, und wollte ihren Augen Gelegenheit geben, sich umzustellen. Beinahe das Gegenteil war der Fall. Das Gebäude war innen genauso klobig und schwerfällig gestaltet, wie es von außen den Anschein hatte, und es gab nicht einmal Fenster. Dennoch war es hier drinnen nicht nur deutlich kühler als draußen, sondern auch beinahe genauso hell, nur dass das Licht angenehmer war und nicht wie mit unsichtbaren glühenden Nadeln in ihre Augen stach. Das Licht fiel durch eine Anzahl von Öffnungen in der Decke herein, die so geschickt angebracht waren, dass der Raum bis auf den letzten Winkel nahezu schattenlos ausgeleuchtet wurde und noch größer erschien, als er es ohnehin war.
Vielleicht lag es auch daran, dass er praktisch leer war. Irgendwo in seiner Mitte – Meilen entfernt, wie es ihr vorkam – erhob sich etwas, das sie wohlweislich nicht genauer betrachtete, weil es eine ganze Anzahl unangenehmer Assoziationen in ihr weckte, und an seinem anderen Ende führte eine Treppe aus mindestens dreißig Zentimeter hohen Stufen weiter nach oben. Das war alles.
»So, da wären wir«, sagte Alica, während sie sich herumdrehte und übertrieben dramatisch die Arme ausbreitete. »Willkommen zu Hause.«
»Zu Hause.« Pia sah sich genauso übertrieben demonstrativ wie unbehaglich um. »Wie gemütlich.«
Alica blinzelte, sah einen Moment lang ehrlich bestürzt aus und zwang sich dann zu einem nicht vollkommen überzeugenden Lachen. »O nein, das verstehst du falsch«, sagte sie. »Ich meine die Stadt, nicht das hier. Deine eigenen ... ähm … Gemächer … werden gerade noch vorbereitet. Ich dachte mir nur, dass du aus der Sonne rauswillst – und vielleicht ein bisschen Ruhe gebrauchen kannst. Es sei denn natürlich«, fügte sie feixend hinzu, »die ehrwürdige Prinzessin Gaylen besteht darauf, von ihrem Volk in gebührendem Maße empfangen und bejubelt zu werden.«
»Selbstverständlich«, antwortete Pia müde. »Aber vielleicht nicht sofort. So in ein, zwei Jahren vielleicht. Oder auch drei.«
»Daraus wird nichts, fürchte ich«, sagte Alica.
»Wieso?«, fragte Pia.
»Ich fürchte, das gehört zu den ungefähr sechsundzwanzigtausendsiebenhundert Dingen, die ich dir erklären muss«, antwortete Alica mit einem schiefen Grinsen. »Du bist eine Berühmtheit, Schätzchen. Gaylen Superstar. Mit Privatleben sieht es nicht mehr besonders gut aus, fürchte ich.«
»Ich?«, fragte Pia. »Wieso?«
»Wieso?« Die Frage schien Alica ehrlich zu überraschen. »Na, du
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