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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Art.
    Obwohl er direkt vor ihr stand und sich stolz zu seiner vollen Größe aufgerichtet hatte, musste der Alkalde, klein, wie er war, zu ihr aufblicken, aber wahrscheinlich hätte er das auch getan, wenn sie vor ihm auf dem Boden gelegen hätte. Vielleicht zum allerersten Mal, seit sie in dieser sonderbaren Stadt angekommen war, begann sie zu begreifen, was sie für die Menschen hier bedeutete, denn sie sah in die Augen eines Mannes, der seinerseits ins Gesicht einer Göttin blickte. Unter seiner sonnengebräunten Haut hatte sein Gesicht alle Farbe verloren, und sie las in seinen Augen zugleich schieres Entsetzen und vollkommene Verzückung.
    Pia war nicht sicher, ob ihr dieser Ausdruck gefiel. Ganz und gar nicht sicher.
    Irgendwie gelang es ihr, sich vom Blick dieser Augenloszureißen und stattdessen seine Begleiterin anzusehen, und was sie in ihren Augen las, das verwirrte sie beinahe noch mehr, wenn auch auf eine vollkommen andere Weise. Alles oberhalb ihrer Oberlippe war hinter den bunten Federn ihrer Maske verborgen, deren Augenöffnungen sehr klein waren, und dass sie tatsächlich nur die Pupillen erkennen konnte, trug allerhöchstens noch mehr zu ihrer Verwirrung bei. Isabel – was für ein seltsamer Name für eine Indiofrau! – sah sie kein bisschen ehrerbietig oder gar ehr- fürchtig an, aber sie las auch keinerlei Feindseligkeit in ihrem Blick, sondern fast so etwas wie … Zufriedenheit ?
    Alica räusperte sich unecht, und Pia wurde sich mit einiger Verspätung der Tatsache bewusst, dass sie seit mindestens einer Minute dastand und Isabel anstarrte. Hastig riss sie ihren Blick von dem der sonderbaren Frau los, um den Sith anzusehen, und sie bedauerte es sofort. Das graue Un-Gesicht des … Dinges flackerte, als versuchte es sich ihrem Blick auf geheimnisvolle Weise zu entziehen, und in seinen Augen stand noch immer ein Ausdruck geschrieben, der nichts anderes als Tod und absolute und vollkommene Verheerung versprach.
    Es war der Sith, der ihren Blick losließ, nicht umgekehrt. Nach einer Sekunde, die sich zu hundert Ewigkeiten dehnte, wandte er sich ab und trat lautlos einen Schritt zurück. Jetzt schien sein Blick geradewegs durch sie hindurchzugehen und in eine Düsternis zu schweifen, deren Kälte und Einsamkeit jeden hier im Raum zum Erschauern brachte.
    Irgendetwas sollte jetzt geschehen, dachte Pia. Alicas aufgesetzte Flapsigkeit kam ihr im Nachhinein vollkommen falsch vor, genau wie die Art des Zwerges, sie zu begrüßen. Sie versuchte, Gamma Graukeils Blick einzufangen, doch es gelang ihr nicht, denn der Zwerg rutschte genau in diesem Moment ein Stück auf seinem Stuhl herum und zur Seite und begann wie ein gelangweiltes Kind mit den Füßen zu baumeln. Dennoch glaubte sie, etwas in seinen Augen zu lesen – noch keine Furcht, wohl aber etwas, was ihr sehr nahe kam.
    »Was ist hier los?«, wandte sie sich in herausforderndem Ton an Alica.
    »Nichts, Erhabene«, antwortete sie, eine Spur zu schnell und nun genau wie der Zwerg ihrem Blick ausweichend.
    Allmählich wurde ihr mehr als nur ein wenig unbehaglich zumute. Gerade als Alica gegangen war und irgendetwas von wichtigem Besuch gemurmelt hatte, hatte sie geglaubt, gewissen Würdenträgern vorgestellt zu werden, wichtigen Persönlichkeiten aus der Stadt oder einfach nur Neugierigen – das Übliche eben. Und ein bisschen davon hatte diese Szene auch, kein Zweifel. Aber das war längst nicht alles. Der Sith war nicht nur gekommen, um sie zu erschrecken und ihr schlechtes Gewissen zu schüren, Gamma Graukeil nicht bloß, um sich über sie lustig zu machen, und der Alkalde mit dem lächerlichen Namen, der Alica so leicht über die Lippen gekommen war, nicht nur, um vor ihr auf die Knie zu sinken.
    Was er im Übrigen auch nicht tat. Als Einziger stand er immer noch da und sah sie an, und in seinen Augen war noch immer jene Mischung aus blanker Ehrfurcht (wobei die Betonung ganz eindeutig auf Furcht lag) und schierer Verzückung ... aber da war auch noch etwas anderes.
    Sie konnte nicht sagen, was, doch das unheimliche Gefühl wurde mit jedem Moment stärker. Der einzige Mensch auf dieser Welt, den sie niemals hatte niederstarren können, war Esteban gewesen (und um ehrlich zu sein, hatte sie es nie versucht, war aber tief in ihrem Inneren davon überzeugt, dass sie es gekonnt hätte), doch dem Blick dieser uralten, auf unheimliche Weise wissenden Augen standzuhalten, fiel ihr immer schwerer. Sie versuchte sich selbst einzureden, wie albern das

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