Elfenzorn
Wrack.«
»Aber es würde beweisen, dass alles wahr ist, Erhabene. Alles, woran wir glauben.«
»Was? Dass ihr mit einem Schiff hier angekommnen seid?« Und als wären diese Worte noch nicht dumm genug, fügte sie auch noch ein leises Lachen und ein abfälliges Kopfschütteln hinzu, bevor ihr endlich klar wurde, was Farlan da gerade gesagt hatte. Was an diesem Schiff so Besonderes war? Ja, das war eine wirklich clevere Frage gewesen ... ungefähr so clever, als hätte sie einen gläubigen Katholiken gefragt, was denn daran so wichtig sei, dass man gerade den einbalsamierten Leichnam von Jesus Christus gefunden hatte.
»Vielleicht ist es ja auch wirklich nur eine Legende«, fuhr Farlan fort, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Er klang enttäuscht, aber auch ein bisschen resigniert. »Die Zwerge haben den ganzen See abgesucht, aber sie haben nichts gefunden.«
»Und ihr?« Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Farlan und seine Kameraden nicht dort hinuntergegangen waren, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, doch der Schattenelb schüttelte noch einmal den Kopf.
»Der Weg dort hinunter ist uns verwehrt«, sagte er. »Ich habe es selbst versucht, vor einem Jahr, als wir hierhergekommen sind, und andere auch. Ich wäre fast gestorben. Aber die Zwerge sind gute Bergleute. Wenn es unter der Erde etwas zu finden gibt, dann finden sie es auch.« Er schüttelte noch einmal und jetzt enttäuscht den Kopf. »Dort unten ist nichts.«
Pia war nicht sicher, ob sie die Enttäuschung ihres spitzohrigen Gegenübers wirklich nachempfinden konnte. Schließlich waren er und seine Kameraden hierhergekommen, um eines der größten Geheimnisse ihres Volkes zu enthüllen. »Und ... was werdet ihr jetzt tun?«, fragte sie vorsichtig.
»Ich?«
»Ihr alle.«
Farlan schien mit dieser Frage nichts anfangen zu können. »Ich verstehe nicht, was Ihr meint.«
»Ich könnte verstehen, wenn ihr von hier weggeht«, antwortete sie.
Jetzt sah Farlan regelrecht bestürzt aus. »Wir sind Euretwegen hier, Erhabene. Und um uns dem Kampf gegen Nandes und seine Orkhorden anzuschließen. Von der Drakkensang und dem Nest der Großen Schlange wussten wir nichts, als wir herkamen. Es gibt keinen Grund, an unserer Treue zu zweifeln, Erhabene.«
»Ich wollte dich nicht verletzen«, antwortete Pia, obwohl ihr klar war, dass sie das sehr wohl getan und ihn vermutlich auch noch zutiefst beleidigt hatte. »Aber ich hätte Verständnis dafür.«
Farlan sagte gar nichts mehr dazu, und sogar Pia war endlich klug genug, die Klappe zu halten. Da war etwas an dem, was der Schattenelb gerade gesagt hatte, etwas, was sie störte, wie ein falscher Pinselstrich in einem ansonsten perfekten Gemälde, den man nicht wirklich sah, der den Gesamteindruck aber nachhaltig störte, aber –
Sie würgte den Gedanken mit Gewalt ab, schon um nicht noch mehr Schaden anzurichten, als sie es ohnehin schon getan hatte, und sah demonstrativ wieder zu dem gedrungenen Tempelbau auf der Spitze der Sonnenpyramide hinauf. Das rote Zyklopenauge war verschwunden und hatte wahrscheinlich sowieso niemals existiert, aber sie hatte nach wie vor das Gefühl, angestarrt zu werden.
Ein Ort, der ihre Seele beschädigte ... Plötzlich kamen ihr diese Worte gar nicht mehr so komisch vor.
Und sie fragte sich auch, was dieser Ort wohl Jesus’ Seele antun mochte.
Während der nächsten drei Tage wurde weder ihrer noch Jesus’ Seele irgendetwas angetan, und auch sonst geschah nichts von Bedeutung.
Wenn sie es genau nahm, geschah gar nichts, außer dass sie allmählich die echte Bedeutung des Wortes Langeweile kennenzulernen begann. Sie ging nur noch ein einziges Mal aus dem Haus, und auch dieser Ausflug fiel deutlich kürzer aus als geplant. Sie war keineswegs so etwas wie eine Gefangene (und wenn, dann war sie ihr eigener Wärter, der eifersüchtig über den Schlüssel wachte), aber die Stimmung in der Stadt hatte sich auf eine schwer in Worte zu fassende, zugleich aber auch unübersehbare Weise verändert.
Jedermann behandelte sie weiter mit großer Ehrerbietung und einer sehr ehrlichen Freundlichkeit, aber es war von allem ein bisschen zu viel. So wie auch ihre beiden Dienerinnen gerade einen Tick zu sehr darum bemüht waren, ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen (oder besser noch zu erraten, bevor sie ihn auch nur allzu laut denken konnte), konnte sie praktisch keinen Schritt tun, ohne dass sofort eine Indiofrau herbeieilte, um sich nach ihren Wünschen zu erkundigen, ihr Wasser
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