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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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oder eine Schale mit Obst oder frisch gebackenem Fladenbrot zu reichen, ihr Schmuck oder selbst gebastelte kleine Geschenke anzubieten oder sie gleich in ihr Haus zu zerren, um ihr ihre Kinder, ihre Kleider oder in einem Fall auch einen Wurf gerade geborener Kätzchen zu zeigen.
    Die Männer waren ein wenig unaufdringlicher, wenn auch auf ihre ganz eigene Art, die fast genauso nervig war, wenn man sie erst einmal bemerkt hatte. Zwar hielten sie ausnahmslos respektvollen Abstand zu ihr, aber sie begleiteten sie nicht nur ebenfalls auf Schritt und Tritt, sondern bildeten einen regelrechten Kordon rings um sie herum, der jedes Mal ein bisschen größer geworden zu sein schien, wenn sie hinsah, und jedes Mal ein bisschen mehr vor Waffen und grimmigen Gesichtern strotzte. Einige Momente lang hatte sie ernsthaft überlegt, ob sie vielleicht in Gefahr war, aber schnell begriffen, dass dies wohl nur die ganz eigene Art dieser kleinwüchsigen Krieger war, ihr ihre Ehrerbietung zu bekunden. Ein- oder zweimal beobachtete sie, wie es zuregelrechten Auseinandersetzungen zwischen ihrer Eskorte und neu eintreffenden Kriegern kam, die sich dem Trupp anschließen wollten und abgewiesen wurden. Dazu kamen noch die Kinder, die eigentlich genau den Respekt vor ihr zeigten, den sie sich wünschte – nämlich gar keinen –, und ihr johlend hinterherrannten, sie aus großen Augen anstarrten, kicherten und lachten und ununterbrochen an ihrer Kleidung (und vor allem ihrem Haar) herumzupften und -zerrten.
    Pia hatte nie etwas gegen Kinder gehabt, ganz im Gegenteil, aber in solchen Massen und vor allem in einer Stadt, deren Einwohner offensichtlich bekennende Anhänger des Prinzips der antiautoritären Erziehung waren, gingen sie ihr schlichtweg auf die Nerven.
    Sie kehrte nach einer knappen halben Stunde in ihr präkolumbianisches Penthouse zurück und beschloss, es frühestens nach Jesus’ Rückkehr wieder zu verlassen.
    Ixchel und Alica besuchten sie regelmäßig; Ixchel meistens nur kurz und um ihr den einen oder anderen guten Rat zu geben (den sie nicht hören wollte) oder ihr irgendeine – möglichst übel schmeckende – Medizin einzuflößen (die sie noch sehr viel weniger wollte, aber trotzdem gehorsam schluckte), und ging stets wieder, bevor sie auch nur eine einzige persönliche Frage stellen konnte. Sie hätte es gerne getan, doch im Gegensatz zu jenem ersten Mal verhielt sich Ixchel distanziert, manchmal schon fast abweisend, und die meiste Zeit trug sie nun auch wieder die aus Federn gemachte Halbmaske, die nur ihren Mund, das Kinn und die Augen frei ließ, sodass es ihr unmöglich wurde, in ihrem Gesicht zu lesen. Aus einem Grund, den sie selbst nicht benennen konnte, war Pia zutiefst enttäuscht, dass Ixchel sich so verhielt.
    Alica erwies sich dafür als umso redseliger, auch wenn ihre Besuche allmählich weniger (und vor allem kürzer) wurden und Pia spürte, dass sich hinter ihrer aufgesetzten Fröhlichkeit und ihrem munteren (und vor allem sinnlosen) Geplapper etwas anderes verbarg, worüber sie nicht reden wollte.
    Was es war, erfuhr sie am Morgen des vierten Tages, den sie in ihrem selbst gewählten Exil verbrachte. Inzwischen kannte sie jeden Winkel und jeden Fußbreit Boden des Hauses so genau, als hätte sie schon ihr ganzes Leben hier verbracht. Für eine Weile hatte sie sich damit abgelenkt, die kunstvollen Bilder und Reliefs an den Wänden zu studieren, nicht nur, um die unglaubliche Kunstfertigkeit und die rein handwerkliche Qualität der Arbeit zu bewundern, sondern auch, weil sich irgendwie die verrückte Idee in ihr festgesetzt hatte, da könnte so etwas wie eine versteckte Botschaft sein, eine Nachricht in diesen uralten Bildern, die ganz allein für sie bestimmt sein musste, obwohl sie ein Jahrtausend vor ihrer Geburt gemacht worden waren.
    Natürlich war das der blanke Unsinn, aber es half ihr, wenigstens einen Teil der Zeit zu überbrücken. Den restlichen (weitaus größeren) verbrachte sie damit, abwechselnd finster über ihre Situation zu grübeln und mit dem Schicksal zu hadern; und oft genug auch beides zugleich. Grund genug für beides hatte sie nun wirklich, aber …
    »Mit dem Schicksal zu hadern und sich in Selbstmitleid zu suhlen macht ja eine Weile bestimmt Spaß, aber so richtig abendfüllend ist es nicht, hab ich recht?«
    Es verging tatsächlich noch ein Moment, bis sie begriff, dass gar nicht sie diesen Gedanken gedacht, sondern Alica ihn ausgesprochen hatte, aber eben so präzise, als

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